Ausland04. Januar 2024

Gezielte Tötung in Beirut

von Karin Leukefeld, Damaskus

Bei einem gezielten Drohnenangriff im Süden von Beirut sind am Dienstagabend sieben Menschen getötet worden. Libanesische und arabische Medien berichteten zunächst von einer Explosion unweit der Schnellstraße Hadi Nasrallah. Kurz darauf wurden die ersten Bilder von dem Anschlagsort verbreitet. Drei Raketen waren laut Augenzeugenberichten von der ferngesteuerten Drohne auf ein parkendes Fahrzeug sowie auf ein Wohn- und Geschäftshaus an einer belebten Kreuzung im Beiruter Stadtteil Msharafieh abgefeuert worden. Das Fahrzeug brannte komplett aus, ein im dritten Stock des Gebäudes liegendes Appartement wurde zerstört.

Ziel des Anschlags war der stellvertretende Vorsitzende der Hamas, Saleh Al-Arouri, der im Libanon im Exil lebte. Die Hamas bestätigte den Tod von Saleh Al-Arouri sowie von Samir Fendi und Azzam al-Aqraa, zwei Kommandeuren der Qassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas. Hamas bestätigte die Namen der vier weiteren Getöteten mit Ahmed Hammoud, Mahmoud Shahin, Mohammed Bsharat, und Mohammed al-Reis. Mindestens elf weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt und werden in Krankenhäusern behandelt. Im Laufe des Abends war bekannt geworden, daß in dem Gebäude ein Treffen verschiedener palästinensischer Organisationen stattgefunden hat.

Palästinensische Organisationen riefen die »palästinensischen Massen« im von Israel besetzten Westjordanlang auf, ihren Widerstand gegen »den zionistischen Feind« zu verstärken. Der israelische Angriff auf Al Arour und die anderen sei eine »Aggression gegen alle Araber und die islamische Gemeinschaft«. Ismail Haniyeh, Vorsitzender des Hamas Politbüros bezeichnete Al Arouri als »großartige nationale Persönlichkeit«. Gespräche über den Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen, die unter Vermittlung von Katar und Ägypten wiederaufgenommen worden waren, wurden von der Hamas gestoppt.

Saleh Al-Arouri (62) stammte aus Ramallah, wo noch am Abend die ersten Trauermärsche und Kundgebungen stattfanden. Im besetzten Westjordanland wurde ein Generalstreik ausgerufen. Arouri hatte Islamisches Recht studiert, bevor er sich der Hamas anschloß. 18 Jahre lang war er in israelischen Gefängnissen inhaftiert und wurde 2010 nach Syrien deportiert. 2011 kam er in den Libanon. 2014 zerstörte die israelische Armee sein Haus bei Ramallah, 2017 wurde Arouri zum stellvertretenden Vorsitzenden im Hamas-Politbüro gewählt.

Im Libanon wird Israel für den Angriff verantwortlich gemacht. Der amtierende Ministerpräsident Najib Mikati verurteilte den Angriff und warf Israel vor, den Libanon in seinen Krieg gegen Gaza hineinziehen zu wollen, den es nicht gewinnen könne. Mikati wies den amtierenden Außenminister Bou-Habib an, eine offizielle Beschwerde gegen Israel beim UNO-Sicherheitsrat einzureichen.

Israel äußerte sich wie gewohnt nicht offiziell zu dem Angriff. Mark Regev, Sicherheitsberater von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte lediglich, wer immer den Angriff verübt habe, er sei nicht gegen den Libanon und nicht gegen Hisbollah gerichtet gewesen.

Der gezielte Tötung von Al Ahrour in Beirut erinnert an den Mord an dem iranischen General Qasem Solimani am 3. Januar 2020. Solimani und seine Begleiter waren von einer gesteuerten Drohne des USA-Militärs am Flughafen von Bagdad getötet worden. Solimani war in einer Vermittlungsmission zwischen Iran und Saudi-Arabien unterwegs, die vom Irak vermittelt wurde. Beide Länder vereinbarten die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen im März 2023 unter chinesischer Vermittlung.

Die Hisbollah bezeichnete in einer ersten Stellungnahme am späten Dienstagabend den israelischen Drohnenangriff im Herzen der südlichen Vororte von Beirut als »sehr gefährlich«. Das Verbrechen sei ein Anschlag auf den Libanon und auf sein Volk, auf dessen Sicherheit, Souveränität und den Widerstand.