Leitartikel07. Januar 2016

Wann kommt die Reisewarnung für die USA?

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USA-Präsident Barack Obama versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten den Handel mit privatgenutzten Schußwaffen etwas einzuschränken. Die Regeln für den Verkauf von Gewehren und Pistolen sollen angesichts von durchschnittlich 90 Toten pro Tag ein wenig verschärft werden, kündigte das Weiße Haus an. So sollen sogenannte Hintergrundchecks für Käufer und Verkäufer von Schußwaffen ausgeweitet, letztere technisch sicherer gemacht und Kontrollen verbessert werden.

Trotz des zögerlichen Vorgehens des scheidenden USA-Präsidenten haben sämtliche republikanischen Bewerber im Präsidentschaftsvorwahlkampf umgehend angekündigt, Obamas Erlasse wieder rückgängig zu machen, sollten sie zu seinem Nachfolger gewählt werden. Das twitterte zum Beispiel Jeb Bush, der dritte aus seinem Clan, der Präsident werden möchte. Senator Ted Cruz aus Texas, dem Bundesstaat, in dem seit dem 1. Januar 2016 sogar das offene Tragen von Schußwaffen erlaubt ist, schrieb bei dem Kurznachrichtendienst, er werde »die Verfassung gegen diese Pläne verteidigen«.

In deren zweitem Zusatzartikel war 1791 nämlich das »Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen« verbrieft worden. Mittlerweile befinden sich in den USA mehr als 300 Millionen Pistolen und Gewehre in Privathaushalten. Es gibt über 50.000 registrierte Waffenhändler in den USA – fast viermal so viele wie McDonald’s Filialen. Die NRA, die mächtige Waffenlobbyorganisation »National Rifle Association«, hat nicht nur mehr als vier Millionen Mitglieder, mit ihren Spendenmillionen hat sie bisher noch jeden wichtigen Wahlkampf in den USA beeinflußt.

Die NRA »benotet« Bewerber für öffentliche Ämter nach deren Positionen und Abstimmungsverhalten in Fragen der Waffenkontrolle. Dabei erreichen die meisten Republikaner die Spitzenwerte A oder A plus. Auf der anderen Seite der bürgerlichen Einheitspartei sind fünf Demokraten, die nach dem Massaker an einer US-amerikanischen Grundschule Ende 2012 im Senat für eine Ausweitung von Überprüfungen vor Waffenkäufen stimmten, mittlerweile abgewählt und durch von der NRA unterstützte Republikaner ersetzt worden.

Nachdem am 27. November ein Abtreibungsgegner in Colorado Springs eine Klinik für Familienplanung überfallen hatte, sechs Menschen durch Schüsse aus seinen automatischen Waffen verletzte und drei ermordete, riefen mehr als 2.000 Mediziner aus den gesamten USA dazu auf, den »Dickey Amendment« von 1996 aufzuheben, mit dem es der Kongreß den nationalen Gesundheitsbehörden seitdem verbietet, zum Thema »Gewalt durch Schußwaffen« und den daraus entstandenen Problemen für die öffentliche Gesundheitsfürsorge der USA zu forschen.

Nur wenige Stunden vor der Pressekonferenz der »Doctors for America« auf dem Capitol Hill war ein bewaffnetes Paar im kalifornischen San Bernardino in ein Behindertenzentrum eingedrungen, hatte 14 Menschen erschossen und 17 verletzt. Das war die 353. Massenerschießung in den USA in elf Monaten des Jahres 2015.

Der ehemalige australische Vizepremier Tim Fischer, Vietnamkriegsveteran und Konservativer, vertrat nach den letzten Amokläufen in den USA die Ansicht, es sei an der Zeit, das Land auf die Liste für Reisewarnungen zu setzen. Wetten, daß unser Außenminister auch in seinem zwölften Amtsjahr nicht so viel Rückgrat zeigen wird?

Oliver Wagner