Ausland14. Dezember 2022

Eine »gerechte Energiewende«

Der deutsche Wirtschaftsminister in Südafrika: Werber für erneuerbare Energien und deutsches Investitionskapital

von Christian Selz, Kapstadt

Robert Habeck hatte seine Rede zur Eröffnung des 4. Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsgipfels (German African Business Summit, GABS) am Mittwoch vergangener Woche in Johannesburg gerade gehalten, da verkündete Südafrikas Stromversorger Eskom weitere Netzabschaltungen. Während der deutsche Wirtschaftsminister bei der wichtigsten Industrienation des afrikanischen Kontinents drei Tage lang für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger warb, mußte der Staatskonzern Südafrikas Haushalten und Betrieben für bis zu zehn Stunden täglich den Strom abschalten.

Die Gründe sind vielfältig und oft beschrieben: Wartungsarbeiten und rechtzeitige Investitionen in die Infrastruktur wurden versäumt, der staatliche Stromkonzern erst durch ein »Sparprogramm« entkernt und so von privaten Dienstleistern abhängig gemacht. Die Schnittstelle von Privatwirtschaft und Staatskonzern wurde schließlich zum Einfallstor für korrupte Geschäftemacher. Teils werden Anlagen mutwillig beschädigt, um Reparaturaufträge auszulösen. Erst im November wurden deshalb Verdächtige verhaftet, am Donnerstag vermutete der Minister für Öffentliche Betriebe, Pravin Gordhan, einmal mehr Sabotageakte als Grund für den plötzlichen Ausfall von Kohlekraftwerken, mit denen Südafrika rund 90 Prozent seines Stroms erzeugt.

Aktuell leidet das Land zudem an den infolge westlicher Sanktionen gegen Rußland global gestiegenen Dieselpreisen. Eskoms Dieselbudget ist für das noch bis März andauernde Geschäftsjahr bereits aufgebraucht, die Dieselkraftwerke stehen still. Hinzu kommt, daß auch die neuen Kohlekraftwerke Medupi und Kusile, in den vergangenen Jahren mit riesigen Weltbankkrediten auch unter deutscher Beteiligung gebaut, noch immer längst nicht störungsfrei funktionieren. Obendrein kauft Deutschland gerade in großem Stil hochqualitative Kohle aus Südafrika. In den meisten deutschen Medienberichten rund um den Habeck-Besuch wird die Stromkrise des Landes dennoch auf das Versagen überalterter Kohlemeiler reduziert.

Dieses Narrativ ist günstig für die von Habeck vorgetragene Erzählung, Deutschland wolle »Südafrika helfen«, sein unbestritten gigantisches Potential bei Solar- und Windkraft zu nutzen, um die Stromkrise zu beenden. Der Minister erwähnte in diesem Zusammenhang das im vergangenen Jahr beim UNO-Klimagipfel in Glasgow aufgelegte Programm »Just Energy Transition Partnership«, in dessen Rahmen die EU, die USA, Deutschland, Frankreich und Britannien 8,5 Milliarden US-Dollar für eine »gerechte Energiewende« in Südafrika zugesagt haben – wobei der Löwenanteil der Summe allerdings aus Krediten und Investitionsgarantien besteht und nur drei Prozent wirkliche Fördermittel sind.

Das Programm ermöglicht also vor allem privatwirtschaftliche Investitionen in die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in Südafrika und trägt so zu einer Privatisierung der dortigen Stromversorgung bei. Zwar betonte Habeck in einer am Donnerstag über Twitter und Instagram verbreiteten Videobotschaft, daß Südafrika und das Nachbarland Namibia, das er zuvor besucht hatte, »sich vor allem erst mal selber versorgen« sollten, wenn sie »jetzt in Wind und in Solar gehen«. Der privatwirtschaftliche Ansatz steht dem jedoch entgegen.

In Namibia, wo ein neu gegründetes Konsortium unter Führung des deutschen Unternehmens Enertrag 9,4 Milliarden US-Dollar investieren will, soll mit Wind- und Solarenergie gewonnener Wasserstoff in Ammoniak umgewandelt werden, um den Energieträger nach Deutschland verschiffen zu können. Der deutsche Konzern RWE steht als Abnehmer bereits bereit. Zu einer etwaigen Nutzung der Energie in Namibia wurde derweil nichts Konkretes bekannt.

Minister Habeck verklärte den Widerspruch so: »Weil diese Projekte teuer sind und Geld aufgebracht werden muß, und weil die Bedingungen für Wind und Sonne hier so phantastisch sind, kann man aber gleich größer denken und größer planen, so daß ausländisches Investitionskapital, deutsches Geld und europäisches Geld, hier gleich mit angelegt werden kann.« Wenn die Energieproduktion dann »so groß« sei, »daß etwas übrig ist«, um in Wasserstoff »transformiert« zu werden, dann sei es »eine gute Idee«, »in gegenseitigem Nutzen in Handelsbeziehungen einzutreten«, erläuterte der Wirtschaftsminister seine Vorstellung des künftigen globalen Energiehandels. Wie realistisch dieses Szenario ist, wenn staatliche Energiesouveränität in Investorenhände übergeht, erörterte Habeck nicht. Statt dessen unterstrich er: »So muß man die Geschichte erzählen.«