Es bedarf jetzt des nötigen Mutes
Angesichts der Art und Weise wie dies ins Schaufenster gestellt wird, sollte man sich die Frage stellen, ob es sich hier nicht um ein politisches Manöver handelt, das helfen soll davon abzulenken, dass eigentlich die Zeit gekommen ist, deutliche soziale Verbesserungen vorzunehmen, Maßnahmen im Steuerbereich zu ergreifen, die entschieden in Richtung soziale Gerechtigkeit gehen, und im Wohnungsbau schnell mit den skandalösen Miet- und Baulandpreisen aufzuräumen und dem Bau von Tausenden von bezahlbaren öffentlichen Mietwohnungen absolute Priorität beizumessen.
Sollten die Schaffenden, die so sehr unter der Wirtschafts- und anschließend unter der Gesundheitskrise gelitten haben, sich nun bei der Regierung bedanken, dass sie darauf verzichtet, ihnen auch noch zusätzliche Austeritätsmaßnahmen aufzubürden?
Eigentlich wäre es ja an der Zeit zumindest die vielen sozialen Verschlechterungen aus der Vergangenheit, die zu einem Anwachsen der Armut und zu einem starken Kaufkraftverlust führten, rückgängig zu machen. Davon geht aber keine Rede.
Einziger Lichtblick: Anläßlich der Rede zur Lage der Nation des Premierministers im Oktober sollen Ankündigungen« zur Steuerpolitik und zum Wohnungsbau erfolgen. Es mag sein, dass diesbezüglich der ein oder anderen Forderung der Gewerkschaften – zum Beispiel einer vorgezogenen Re-Indexierung der Familienzulagen, die inzwischen mehr als ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt haben – , Rechnung getragen wird, um sozialen Protesten zuvorzukommen und im Vorwahljahr nicht zu sehr unter Beschuss zu geraten. Allerdings sollte man daran keine allzu großen Erwartungen knüpfen. Dass die Regierung den Spekulanten kräftig auf die Füße treten wird oder über Nacht einen Mietstopp für die nächsten Jahre verkünden wird, ist eher nicht zu erwarten.
Gerade auch bei den Steuern sollte man von dieser Regierung nicht erwarten, dass sie umfangreiche Maßnahmen vornehmen wird, um Steuergerechtigkeit zu schaffen, die kleinen und mittleren Lohnempfänger zu entlasten und die Reichen und das Groß- und Finanzkapital zusätzlich zu besteuern, wie das im Sinne der Steuergerechtigkeit notwendig wäre.
Auch in dieser Hinsicht sind keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten, denn eine Erbschafts- und Vermögenssteuer für die Reichen hat die Regierung von DP, LSAP und Grünen gar nicht in ihrem Regierungsprogramm, und eine Erhöhung der Kapitalsteuern für die Konzerne und die Investitionsfonds lehnt die Regierung ebenso ab wie eine Corona-Steuer für die Unternehmen, die von der Krise profitieren, um zusätzliche Gewinne zu machen, die demnächst an die Aktionäre verteilt werden.
Für die Lohnabhängigen und ihre Organisationen gibt es daher überhaupt keinen Grund, zufrieden mit der gegenwärtigen Situation zu sein.
Es bedarf vielmehr – unabhängig von den wenigen Konzessionen, die seitens der Regierung zu erwarten sind, – des nötigen Mutes, um die Schaffenden zu mobilisieren und die während der vergangenen Jahre erarbeiteten Vorschläge und gesetzlichen Verbesserungen im Sozial- und im Gesundheitswesen, im Steuerbereich, in der Wirtschaft, im Wohnungsbau und in anderen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen. Es ist an der Zeit!