Leitartikel15. September 2021

Sind wir noch zu retten?

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Täglich senden Agenturen neue Hiobsbotschaften über künftig zu erwartende Katastrophen. Am Dienstag war es eine Meldung der Weltbank, die absolut nicht im Verdacht steht, besonders »grün« oder gar »links« zu sein. Die Analysten der Banker haben ermittelt, daß wegen der vorauszusehenden Klimaerwärmung bis zum Jahr 2050 »bis zu 216 Millionen« Menschen sich gezwungen sehen werden, sich ein neues Zuhause suchen zu müssen.

Nun müssen wir die Zahl sicher nicht wörtlich nehmen, denn es könnten durchaus deutlich mehr Menschen sein, die nicht nur wegen Kriegen und Krisen, sondern auch wegen der Klimaveränderungen ihre Heimat verlassen. Es ist jedoch kaum damit zu rechnen, daß sie sich innerhalb ihrer Landesgrenzen eine neue Bleibe suchen, sondern sie werden wahrscheinlich eher dorthin zu fliehen versuchen, wo man ihnen seit Jahrzehnten ein Bild des Friedens und des Wohlstands vorgaukelt.

Allerdings wird es auch im beschaulichen Europa in dreißig Jahren nicht mehr ganz so angenehm aussehen, wie es jetzt scheint. Denn die Auswirkungen des Klimawandels werden bis spätestens Mitte des Jahrhunderts auch hier gewaltige Schäden anrichten – wenn wir die Entscheidungen über die Zukunft der Menschheit weiter den Politikern und Wirtschaftskapitänen überlassen, die nur einen Maßstab kennen: den Maximalprofit für die kapitalistischen Banken und Konzerne.

Im aktuellen Wahlkampf jenseits von Mosel, Our und Sauer erleben wir, wie den Leuten eingeredet wird, man solle sich doch ruhig auf die Spitzenkandidaten von CDU/CSU, SPD und ganz besonders von den Grünen verlassen, denn die haben ganz tolle Konzepte, wie in kurzer Zeit »Klimaneutralität« erreicht werden kann. Da hören wir diverse Ideen über die Abschaltung von Kohlekraftwerken, über Windparks und Solarenergie – jedoch immer mit dem Zusatz, daß am Ende schwarze Zahlen stehen müssen. Übersetzt heißt das: ein wenig Profit sollte schon dabei sein!

Und um den Profit zu garantieren, und dabei die Superreichen nicht wirklich zur Kasse zu bitten, muß natürlich ein CO2-Preis bezahlt werden. Und das heißt übersetzt: Alle sollen für alles, was mit Energie zusammenhängt, gefälligst »etwas mehr« bezahlen. Sogar die grüne Spitzenkandidatin weiß, daß das »sozial nicht gerecht« ist, aber sie verspricht den Wählern als Kompensation 75 Euro jährlich – »Wenn Sie mich wählen«. Dummdreister geht es kaum!

Solange Profite, Rendite und Wachstum im Vordergrund stehen – und das ist eben symptomatisch für diese kapitalistische Gesellschaft – wird es mit dem Kampf gegen den Klimawandel nicht spürbar vorwärts gehen. So wie im Kapitalismus grundsätzlich alles eine Ware sein kann, wird auch das Klima zu einer Ware, und der Meistbietende bestimmt, was damit anzustellen ist.

Es ist durchaus richtig, daß jeder Einzelne von uns täglich etwas für das Klima tun kann, Aber mit weniger Auto fahren, Müll trennen und nicht so viel Fleisch essen ist es nicht getan. Warum eigentlich werden in den Debatten die Kriege, die Militärmanöver, überhaupt das Militär als Klimazerstörer nicht erwähnt? Das liegt daran, daß mit Kriegen und Aufrüstung eine Menge Profit gemacht werden kann, nicht jedoch mit Frieden und Abrüstung.

Die Lösung kann »nachhaltig« nur darin liegen, tatsächlich das System zu ändern. Allerdings geht es nicht nur um Systeme der Energieerzeugung, sondern um das gesellschaftliche System. Es geht um ein System, in dem nicht wie im Kapitalismus der Profit im Vordergrund steht, sondern der Mensch. Nur so sind wir noch zu retten.