Faschistin zu Gast auf CGIL-Kongreß
Stärkste italienische Gewerkschaft tagte bis Samstag in Rimini. Ministerpräsidentin Meloni durfte ihre arbeiterfeindliche neoliberale Politik propagieren
In der italienischen Hafenstadt Rimini ist am Samstag der XIX. Kongreß der mit rund 5,7 Millionen Mitgliedern stärksten Gewerkschaft Confederazione Generale italiana di Lavoro (CGIL) mit der Wiederwahl Maurizio Landinis zum Generalsekretär zu Ende gegangen. Vier Tage berieten 886 zur Hälfte männliche und weibliche Delegierte unter dem Motto »Arbeit schafft Zukunft«, wie der Kampf gegen soziale Unterdrückung und Ausbeutung, für Gleichheit und Gerechtigkeit der arbeitenden Menschen zu verstärken ist. Auf scharfe Proteste stieß, daß der Generalsekretär die faschistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eingeladen hatte, die ihre arbeiterfeindliche neoliberale Politik propagieren durfte.
Der wiedergewählte Gewerkschaftspräsident Landini biederte sich laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA dann noch mit der Erklärung an »Wir respektieren das Ergebnis der Abstimmung (bei der Parlamentswahl am 25. September 2022), mit der die Regierung des Landes der Rechten anvertraut wurde«. Wie das linke Magazin »Manifesto« berichtete, wurde Meloni vor dem Eingang zum Palacongressi in Rimini von Protestierenden mit Buhrufen erwartet, die Transparente wie »Meloni: nicht in unserem Namen« zeigten und anprangerten, daß ihre Partei Brüder Italiens noch immer die Flamme Mussolinis in ihrem Parteilogo führt. Als sie im Saal eintraf, verließen die Delegierten der Metallarbeiter in der CGIL (FIOM) und weitere »Bella Ciao« singend mit erhobener Faust den Saal. Die Verbliebenen verharrten während ihrer Rede, in der sie »das gesamte Repertoire des konservativen Liberalismus in einer Visegrad-Sauce« vortrug, »in eisige Kälte«. Bei der Ablehnung des Mindestlohns stand sie »vor einer Mauer«.
Wie das Mitteilungsblatt der CGIL »Collettiva« informierte, konzentrierte sich die Kongreßdebatte auf fünf Prioritäten: 1. Höhere Löhne und eine Reform des italienischen Steuersystems, 2. Schluß mit der Prekarität und eine Herabsetzung der Arbeitszeit, 3. Unterbindung der Schwarzarbeit, und mehr Sicherheit am Arbeitsplatz, 4. Für einen Wohlfahrtsstaat auf Grundlage von Ausbildung, Gesundheitsversorgung, einer Rentenreform, sozialer und beruflicher Integration von Migranten und Kampf gegen Armut, 5. eine Entwicklungs- und Industriepolitik, ausgehend vom Süden mit öffentlicher Intervention, durchzusetzen, um die Digitalisierung und das neue Umweltparadigma zu einer echten Chance für das Land zu machen.
Die auf dem Kongreß vertretene Opposition kam sich näher. Die als linke Hoffnung gefeierte neue Sekretärin des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, wurde zum regelrechten Star der Gewerkschaftsversammlung als sie versicherte, »wir werden für einen Mindestlohn kämpfen; weil es mehr als drei Millionen Schaffende gibt, die arm sind, selbst wenn sie arbeiten«. Ihr Appell an die Opposition, den Kampf dafür gemeinsam zu führen, schien auf Zustimmung zu stoßen, denn die Parteipräsidenten von M5S, Giuseppe Conte, Dritter Pol, Carlo Calenda, und Sinistra Italia, Nicola Fratoiani, trafen später mit ihr und Landini zusammen. Mit einer Teilnahme in Mailand an einer Kundgebung von rund 10.000 Angehörigen von Regenbogenfamilien, die gegen die Ablehnung der Registrierung der Kinder gleicher Elternpaare durch die Regierung protestierten, schritt Schlein anschließen zur Tat und kündigte an, ein Gesetz einzubringen, das das Recht homoparenter Paare gesetzlich anerkennt und ihren Kindern mehr Rechte gewährt. An der Ausarbeitung des vom PD unterzeichneten Gesetzes haben die Rainbow Families und das Lenford Network mitgewirkt.
Landini appellierte an die auf dem Kongreß anwesenden Führer der Unione Italiana del Lavoro (UIL) und der Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL), Pierpaolo Bombardieri und Luigi Sbarra, die beiden nach der CGIL großen Gewerkschaften (nach eigenen Angaben jeweils etwa zwei Millionen Mitglieder), »in den nächsten Tagen eine außergewöhnliche Kampagne von Versammlungen am Arbeitsplatz zu organisieren, »um unsere Forderungen zu Steuern, Gesundheit, sozialer Sicherheit und Löhnen zu unterstützen«.
Das Magazin »Contropiano« resümierte, der Kongreß habe gezeigt, daß die 1944 im Kampf gegen die faschistische deutsche Besatzungsmacht als revolutionäre Massenorganisation vor allem der Kommunisten gebildete CGIL nicht mehr existiere. Auf Betreiben der CIA-Agenten in der US-amerikanischen Gewerkschaft AFL-CIO wurden 1949/50, wie der Mailänder »Corriere della Sera« im März 1975 enthüllte, die UIL und die CISL gebildet und damit die Gewerkschaftseinheit in Italien zerschlagen. Die Operation leitete deren Chef Irving Brown, der später als CIA-Agent enttarnt wurde, persönlich. Die UIL entwickelte sich zu einer katholisch beeinflußten Organisation, die CISL dominierten die Sozialdemokraten und später vor allem die Sozialisten. Neben der CISL und UIL hat sich seit den 90er Jahren auch die CGIL zunehmend der »Sozialpartnerschaft« mit dem Kapitel untergeordnet.