Ausland

Rentnerelend in Italien

Crescenzio Di Domenico aus Neapel : Unter der PD-Regierung hat sich nichts verbessert, es wird immer noch schlimmer

Während Italiens Premierminister Renzi unaufhörlich verspricht, daß es allen besser gehen wird, sagt der vergangene Woche veröffentlichte Bericht des Staatlichen Amtes für Statistik (ISTAT) etwas anderes aus. Besonders schlimm ist die Lage der Rentner. 7,6 Millionen (45 Prozent) müssen mit weniger als 1.000 Euro im Monat auskommen. 2,4 Millionen (14,4 Prozent) haben weniger als 500 Euro zur Verfügung.

Was sich dahinter verbirgt, schilderte Crescenzio Di Domenico, einer von den zehn Millionen, die nach einem Leben harter Arbeit im Rentnerelend landeten. Er wohnt in Neapel, wo die Durchschnittszahlen fast das Doppelte ausmachen. Zusammen mit seiner Frau muß der 67-Jährige mit 650 Euro im Monat auskommen. Dabei hat er schon als Jugendlicher gearbeitet. Aber da zahlte natürlich kaum jemand Sozialbeiträge. Auch später sparten die Unternehmer die oft ein. Meist arbeitete Crescenzio auf dem Bau, später im Hafen, war einige Jahre arbeitslos.

Die Miete für die kleine 2-Zimmer-Wohung am Stadtrand von Neapel beträgt knapp 400 Euro. Dazu kommen Gas, Strom und Wasser. Sie leben in der täglichen Angst, daß davon das abgestellt wird, wenn sie nicht zahlen können. Sie wohnen im Hafenviertel, aber ohne Blick auf das Meer.

Zum täglichen Leben verbleiben kaum 150 Euro. Jetzt kommt der Winter, der mit Heizkosten und mit der zuweilen notwendigen Anschaffung warmer Kleidung noch mehr Ausgaben bringt. Da muß an allem gespart werden – zuerst am Essen.

Mittags ist es oft nur eine Brühe, Spaghetti, das Hauptnahrungsmittel, essen sie meist ohne Beilagen. Das Kilo Fleisch kostet an die 20 Euro. Crescenzio schweigt, und Scham klingt in der Stimme, als wäre es seine Schuld, daß das selten auf den Tisch kommt. Statt Aqua minerale trinken sie Leitungswasser, was bei den Wasserproblemen der Stadt oft gesundheitlich schädlich ist.

Jetzt zu Weinachten ist es besonders deprimierend, denn sie haben zwei Söhne, denen es nicht viel besser geht. Zum Glück haben sie gerade eine Arbeit. Nicht nur ihnen, auch den Enkeln möchte Crescenzio und seine Frau gern etwas schenken. Schon der so beliebte Panettone, das Weihnachtsgebäck in Italien, kostet einfach mit Rosinen das Pfund 5 Euro.

Sie wissen nicht, woher sie das Geld für Medikamente nehmen sollen, die sie dringend brauchten. Nach einem Schlaganfall ist Crescenzios Bein gelähmt. Die therapeutischen Behandlungen sind von früher einmal monatlich, dann auf einmal vierteljährlich und auf eine Behandlung im halben Jahr reduziert worden. Schon für das Ausstellen eines Rezepts verlangt der Arzt fünf Euro, dann kommen die Zuzahlungen in der Apotheke und bei Behandlungen. Eine Röntgenuntersuchung macht 30 Euro Zuzahlung.

An eine Kur nach seinem Schlaganfall war nicht zu denken. Die Wohnung liegt in der ersten Etage, Noch schafft es Crescenzio mit dem Stock die Treppe hoch. Trotzdem würde er schon gern in eine Parterrewohnung ziehen. Aber keine, wie man sagt, »noch bezahlbare« Wohnung findet sich. Seine Frau brauchte einen Zahnersatz, der unerschwinglich wäre. Denn trotz dieser Hungerrente gibt es keine Gebührenbefreiung. Bei allem lebt Crescenzio in der Furcht, einmal zuerst zu sterben und seine Frau allein zurückzulassen.

Die Fernsehgebühren belaufen sich auf 115 Euro jährlich. Um Strom zu sparen, wird der alte Apparat kaum angemacht. Er kann sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal im Kino waren, kostet die billigste Karte doch zwölf Euro. Und sie müßten ein paar Stationen mit dem Bus fahren, das wären hin und zurück fast drei Euro für jeden. Mal in die Bar gehen, einen Espresso nehmen, mit Bekannten sprechen, ist zu einem unerschwinglichen Luxus geworden.

Und es gibt Familien, denen es noch schlimmer geht. »Nun haben wir eine Regierung der Sozialdemokraten, die doch etwas ändern müßte. Aber sie verspricht das nur. Tatsächlich wird nichts besser, sondern es wird immer weiter noch schlechter« , schließt Crescenzio unser Gespräch.

Gerhard Feldbauer