»Katastrophales Moralversagen«
Gerüchte um Covid-Erkrankung nach Tod von Tansanias Präsident. Nur wenig Impfstoffe für Afrika
Nach John Magufulis Tod ist am Freitag seine Stellvertreterin Samia Suluhu Hassan als neue Präsidentin Tansanias vereidigt worden. Nach ihren Angaben war der Staatschef am Mittwoch vergangener Woche im Alter von 61 Jahren in einem Krankenhaus in Daressalam einem Herzleiden erlegen. So zumindest lautet die offizielle Version. Um den Gesundheitszustand Magufulis hatten sich zuletzt hartnäckige Gerüchte gerankt.
Seit Ende Februar war er nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Am Donnerstag vergangener Woche behauptete der derzeit im Exil in Belgien lebende Oppositionspolitiker Tundu Lissu schließlich, Magufuli sei zunächst im Nachbarland Kenia wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt und schließlich gar nach Indien verlegt worden. Nach dem Tod des Präsidenten bekräftigte Lissu erneut, er habe Informationen, wonach Magufuli in Folge einer Coronainfektion gestorben sei.
Brisant sind die Anwürfe vor allem deshalb, weil Magafuli die Präsenz des Virus in seinem Land geleugnet, die Notwendigkeit von Masken bestritten und die Beschaffung von Impfstoffen abgelehnt hatte. Tansania hat seit Mai vergangenen Jahres keine Ansteckungszahlen veröffentlicht. Im Juni erklärte Magufuli sein Land nach dreitägigen staatlich verordneten Gebeten schließlich für »coronafrei«. Nachdem landesweit immer mehr Menschen an nicht weiter spezifizierten »Lungenleiden« gestorben waren, gestand Magufuli im Januar zwar ein, daß es womöglich doch Coronafälle in Tansania gebe. Allerdings behauptete er, diese seien von Menschen eingeschleppt worden, die versucht hätten, sich im Ausland impfen zu lassen. »Impfungen sind gefährlich«, wetterte der Präsident und ließ seine Gesundheitsministerin live im Staatsfernsehen statt dessen ein Mixgetränk aus Knoblauch, Ingwer und Limetten anrühren.
Doch die Fokussierung auf die Coronaleugnung des nun verstorbenen Präsidenten verdeckt eine viel wesentlichere Frage: Welche Chancen auf einen anderen Pandemieverlauf hätte Tansania überhaupt gehabt? Vergleiche mit anderen Ländern des afrikanischen Kontinents sind zwar schwierig, weil es für Tansania keinerlei belastbare Infektions- und Sterbezahlen gibt. Fakt ist jedoch, daß selbst ein volkswirtschaftlich wesentlich stärkeres Land wie Südafrika trotz harter Lockdowns zweimal rasant steigende Infektionswellen verzeichnete. Weit verbreitete Armut, Hunger und beengte Wohnverhältnisse schränken die Wirksamkeit solcher Maßnahmen auf dem gesamten Kontinent ein.
Hinzu kam, daß afrikanische Staaten schon im globalen Wettbieten um medizinische Schutzausstattung und Coronatests den reicheren Ländern der Welt weit unterlegen waren. Das gleiche Szenario wiederholt sich derzeit bei der Verteilung von Impfstoffen. »Ein Covid-19-Impfstoff muß als globales öffentliches Gut gesehen werden«, forderte UNO-Generalsekretär António Guterres im Juni vergangenen Jahres. Doch als Südafrika und Indien die Aufhebung des Patentschutzes für die Vakzine beantragten, blockierte der Westen die Initiative. Im Januar warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus vor einem »katastrophalen Moralversagen«. Heute läßt sich dies in Zahlen abbilden: Der Statistikplattform »Our World in Data« zufolge sind inzwischen ein Drittel der Briten und ein gutes Fünftel der US-Amerikaner geimpft, während die Quote im afrikanischen Durchschnitt bei 0,3 Prozent liegt.