Ausland26. Juli 2025

Libanon unter israelischem Feuer

Wohlstand und Sicherheit für Normalisierung und Entwaffnung

von Karin Leukefeld

Israelische Angriffe auf Libanon gehen weiter. Die uno berichtet von 7.700 israelischen Angriffen auf den Libanon seit Beginn einer von den USA und Frankreich vermittelten Waffenruhe Ende November 2024. Der Sondervermittler der USA drängt auf Entwaffnung der Hisbollah.

Aus dem Süden des Libanon wurde in der Nacht zu Freitag erneut eine »Angriffswelle« der israelischen Luftwaffe gemeldet. Die von Drohnen und laut Berichten von Augenzeugen auch von Kampfjets abgefeuerten Raketen setzten die Hügel von Iqlim al-Tuffah und ein Gebiet zwischen Ansar und Zrariyeh in Brand. Wie üblich begründete Israel die Angriffe damit, »Stellungen der Hisbollah, Waffenlager und Raketenabschußrampen« im Visier gehabt zu haben. Beweise für die Behauptungen wurden wie üblich nicht vorgelegt.

Am Donnerstag war ein Mann getötet worden, als sein Lieferwagen, mit dem er bei Aita al-Shaab unterwegs war, bei einem direkten Drohnenangriff zerstört wurde. Israel behauptete, einen Kämpfer der Hisbollah getötet zu haben. Auch hier wurde kein Beweis geliefert. Die libanesische Tageszeitung »L’Orient Le Jour« berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, daß der Mann ein Altmetallhändler war. Er war mit seinem Lieferwagen unterwegs, um Einkäufe zu machen und hatte gerade zuvor seine Kinder zu Hause abgeliefert.

Eine weitere Person wurde durch israelischen Beschuß bei Bint Jbeil getötet, israelische Raketen setzen täglich Felder und Wälder in Brand. »L’Orient Le Jour« berichtete am Freitag, daß zwischen Nabatieh, Jezzine und Saida israelische Kampfjets und Drohnen innerhalb von 20 Minuten 20 Raketen auf Land, Gebäude, Fahrzeuge und Personen abgefeuert wurden.

Weiterhin halten israelische Truppen fünf Hügel im Süden des Landes entlang der »Blauen Linie« besetzt, der Waffenstillstandslinie, die von der UNO markiert wurde. Die Luftangriffe und Morde an angeblichen Hisbollah-Kämpfern finden inzwischen täglich und immer häufiger und auch mehrmals am Tag statt. Israel bombardiert in der Bekaa-Ebene oder weit im Landesinneren des Zedernstaates.

Ein UNO-Bericht gibt an, das seit Mitte September 2024 – dem Beginn des israelischen Krieges gegen den Libanon – mehr als 7.700 Luftangriffe gegen den Libanon geflogen wurden. Rund 64.000 Gebäude wurden zerstört. Während des zweimonatigen Krieges waren mehr als 1,2 Millionen Menschen aus dem Süden des Landes geflohen. Heute gelten noch mehr als 100.000 Menschen laut UNO als Inlandsvertriebene, weil Israel ihre Rückkehr in ihre Dörfer verhindert, von denen es viele komplett zerbombt und dem Erdboden gleichgemacht hat.

Die Angriffe halten auch nach der von USA und Frankreich vermittelten Waffenruhe Ende November 2024 an. Drohnen und Kampfjets haben mehr als 270 Personen zumeist gezielt getötet. Israelische Besatzungstruppen im Süden des Landes feuerten auf Dorfbewohner, die in ihre Dörfer zurückkehren wollten. Dutzende wurden dabei getötet.

Der Sonderbeauftragte des USA-Präsidenten für den Libanon Tom Barrack hat seit Februar drei Mal Gespräche mit der libanesischen Regierung in Beirut geführt. Der Multimillionär ist libanesischer Herkunft und fungiert seit Februar 2025 als USA-Botschafter in der Türkei und Sonderbeauftragter auch für Syrien. Geschäftlich, politisch und persönlich ist der Immobilienunternehmer Barrack eng mit Donald Trump verbunden.

Die USA und Israel verhinderten nach der Vereinbarung der Waffenruhe November 2024, daß der Iran Geld in den Libanon schicken konnte, um mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Israel drohte, iranische Flugzeuge, die in Beirut landen wollten, abzuschießen. Am Flughafen von Beirut wurden US-amerikanische Sonderkontrollen eingeführt, um Fluggäste zu stoppen, die größere Geldmengen bei sich hatten.

Stattdessen versprachen die USA – die die Kontrolle über den Libanon und seine Politik an sich rissen – dem Land, es werde Wiederaufbaugeld aus Saudi-Arabien überweisen, sofern die Abgeordneten des libanesischen Parlaments den langjährigen Oberkommandierenden der Libanesischen Armee, Joseph Aoun, zum neuen Präsidenten wählen würden. Obwohl Aoun gewählt wurde – nachdem der eigentliche Kandidat der Hisbollah Suleyman Frangieh seine Kandidatur zurückgezogen hatte – erreichte kein Wiederaufbaugeld aus Saudi-Arabien den Libanon. Mehrere Milliarden flossen allerdings bereits von Riad nach Damaskus, um das syrische Regime beim »Wiederaufbau« zu unterstützen.

Nun verspricht der Emissär des Weißen Hauses, der Libanon könnte wieder ein regionales Zentrum für Tourismus und Wirtschaft werden, sollte es sich aktiv für »die regionale Sicherheit« einsetzen. Sicherheit in der Region bedeutet nach Lesart der USA die weitgehende Entmilitarisierung der arabischen Länder und »Normalisierung der Beziehungen mit Israel«. Die Entwaffnung der Hisbollah, die – anders als die libanesische Armee – über weitreichende Waffen und Luftabwehr verfügt, ist Kern der Gespräche, die der Immobilienspekulant Barrack in Beirut führt. Die Hisbollah hat erklärt, ihre Entwaffnung auf nationaler Ebene mit der libanesischen Armee zu vereinbaren. Solange allerdings israelische Truppen libanesisches Territorium besetzt hielten, würden die Waffen – zum Schutz des Libanon – weiter im Besitz der Hisbollah bleiben.

Die Hisbollah werde die Waffen nur der libanesischen Armee und nur dann übergeben, wenn Israel die fortgesetzten Angriffe auf Libanon einstellt, sich komplett aus dem Libanon – und aus den Sheeba-Farmen – zurückzieht und wenn libanesische Gefangene freigelassen werden. Wiederholt hat der Vorsitzende der Hisbollah, Naim Qassim die Regierung aufgefordert, entsprechend auf die USA einzuwirken, ihren Einfluß auf Israel geltend zu machen. Der libanesische Präsident Joseph Aoun seinerseits hat deutlich gemacht, daß die Entwaffnung mit der Hisbollah, und nicht gegen sie durchgeführt werde. Im Gegenzug müßten die israelischen Truppen den Libanon verlassen und ihre Angriffe einstellen.

Auf die Frage von Journalisten, ob Washington eine Garantie dafür gebe, daß Israel sich aus dem Südlibanon zurückziehe, antwortete USA-Emissär Barrack am vergangenen Montag, die USA sei »nicht hier, um Israel irgendetwas aufzuzwingen«. Die USA seien im Libanon, »um unseren Einfluß dafür zu nutzen, ruhige Köpfe zusammenzubringen«, wurde Barrack in Medien zitiert. »Amerika kann nur Einfluß nehmen … wir werden keine weiteren Truppen herbringen.« Gleichzeitig erklärte Barrack, es gehe den USA nicht darum, eine »komplette Entwaffnung« der Hisbollah durchzusetzen. Jeder in der Region trage irgendwelche einfachen Waffen, diesbezüglich werde es keine Strafmaßnahmen oder Sanktionen geben.

Laut aktuellen Medienberichten hat der Sonderbeauftragte der USA-Administration der libanesischen Regierung einen 120-Tage-Plan für die Waffenübergabe in zwei Stufen vorgelegt. In der ersten Stufe, die 90 Tage umfassen soll, sollen die Waffen »komplett und organisiert« übergeben werden. In der zweiten Stufe, die 30 Tage dauern soll, werde der Libanon »auf den Weg der Lösungen« gebracht, mit dem das Land »international ausgerichtet« werden soll, was seine Stabilität garantieren soll“.