Ist künstliche Photosynthese Zukunftstechnologie? (3)
Warten auf industriell umsetzbare Resultate
Was aber wäre, wenn wir Menschen die Prozesse der Photosynthese modellieren und industriell nutzen könnten? Dazu müßte man den Wirkungsgrad erhöhen, denn die Prozesse, die in der Natur ablaufen, haben interessanterweise einen recht geringen Wirkungsgrad. Aber auch der Wirkungsgrad und die Lebensdauer der derzeit in der Forschung genutzten »Hilfsmittel« (Katalysatoren usw.) sind kurz beziehungsweise gering.
Offenbar gibt es aber inzwischen Durchbrüche. In einer Veröffentlichung der Wissenschaftsakademie Leopoldina aus dem Jahr 2018 hieß es im Zusammenhang mit dem Ziel der Forschungen zur künstlichen Photosynthese: »Die künstliche Photosynthese dient der Produktion chemischer Energieträger und Wertstoffe unter Verwendung von Sonnenlicht als einziger Energiequelle in integrierten Apparaten und Anlagen. Die besondere Stärke des Ansatzes liegt dabei in der Bereitstellung von erneuerbarer Energie in stofflich gespeicherter sowie lager- und transportierbarer Form.«
So wird in einem oxygenen Prozeß zum Beispiel neben anderen »Rohstoffen« auch Wasserstoff freigesetzt (und zuvor der Atmosphäre CO2 entzogen). Wasserstoff als alternative Energiequelle könnte damit beispielsweise auch ohne den heutigen »Umweg« – und unter großen Energieverlusten – über die Nutzung anderer alternativer Energiequellen produziert werden beziehungsweise »augenblicklich« zu Biokraftstoffen oder gar zu beliebigen Verbindungen aus CO2 weiterverarbeitet werden.
Die künstliche Photosynthese könnte aber im Kampf gegen den Klimawandel und die Erderwärmung auch in anderer Hinsicht wichtig werden: Man könnte nämlich auch ohne Wassereinsatz zum Beispiel der Atmosphäre Kohlendioxid in großen Mengen entziehen. Das wäre im Verlauf eines anoxygenen Prozesses, also ohne den Einsatz von Wasser, möglich. Damit im Zusammenhang könnten entsprechende Anlagen in Gebieten ohne oder mit nur geringen Wasserreserven entstehen. Das CO2 müßte dann natürlich langfristig gebunden werden (sogenannter »geschlossener« Prozeß, in der Natur ist der Prozeß »offen«). Und es gibt noch ein Problem: Für solche Anlage würde man, so einige Quellen, unter anderem sehr große Flächen benötigen und vor allem – noch? – wäre ein Betrieb außerordentlich teuer.
Doch obgleich weltweit – fach- und auch international übergreifend – zur künstlichen Photosynthese, zu Aspekten und Nutzanwendungen geforscht wird: industriell umsetzbare Resultate wird es trotz aller Anstrengungen offenbar erst in Jahren geben, weitaus schneller aber beispielsweise könnte es wahrscheinlich zu Lösungen für eine bessere Nutzung der heutigen Sonnenenergiegewinnung durch den Einsatz sogenannter Farbstoffsolarzellen (»Grätzelzellen«) kommen, auch die Erhöhung des Wirkungsgrades und der »Lebenszeit« eingesetzter Materialien und Komponenten wird möglich. Aber auch neuartige Materialien entstehen: So zum Beispiel »Gewebe« aus Mikroalgen, die mit Hilfe eines 3D-Druckers auf Zellulose aufgetragen werden, das dank der Algen aktiv Photosynthese betreiben kann. Das lebende Zellulose-Algen-Gewebe erwies sich als robust und lange überlebensfähig und könnte als Energielieferant, Medizinprodukt und Biotextil eingesetzt werden.
Versucht wird auch, durch Nutzung anderer physikalischer und chemischer Prozesse die Photosynthese zu modellieren.
Der Traum von der künstlichen Photosynthese wird kein Traum bleiben.
(Schluss)
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Begriffserklärungen:
Anaerobe Bedingungen – Fehlen von molekularem Sauerstoff – z.B. in Boden- oder Gewässerbereichen wie im Faulschlamm oder in tieferen Schichten von Gewässern, die eine hohe Belastung an organischem (abbaubarem) Material aufweisen und in denen vorübergehend oder dauerhaft der Wasseraustausch zwischen tieferen und Oberflächenschichten fehlt (z.B. Ostsee, Schwarzes Meer), so daß die Aufnahme von Sauerstoff aus den Oberflächenschichten in tieferen Schichten verhindert wird.
Nettoreaktionsgleichung – hier mit der Gleichung CO2 H2O —-> C(H2O) O2 stark vereinfacht. Die Erkenntnis im 19. Jahrhundert war lediglich, daß aus Kohlendioxid und Wasser unter dem Einfluß von Licht energiereiche organische Stoffe (dafür steht C(H2O) entstehen und Sauerstoff freigesetzt wird.
Lichtreaktion (photochemische Reaktion) – Mit der »Nettogleichung« wird der Gesamtprozeß beschrieben. Die Lichtreaktion ist jener (lichtabhängige, aber temperatur-unabhängige) Teil der Photosynthese, in welchem die Energie der Sonne in Form eines universellen chemischen Energieträgers (Adenosintriphosphat) gespeichert und für den pflanzlichen Organismus zugänglich wird.
Dunkelreaktion (normale chemische Reaktion – derjenige – lichtunabhängige, aber temperaturabhängige – Teil der Photosynthese, in dem Kohlenstoffdioxid fixiert und Kohlenhydrate aufgebaut werden.
Photochemie – chemische Reaktionen unter dem Einfluß von Licht: Licht liefert die Energie, um die chemische Reaktion anzutreiben.
Katalysator – Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion beeinflußt, ohne dabei selbst verbraucht zu werden.