Ausland05. August 2009

Was soll’s denn sein? Panzer, Pizza oder Parteien ...

Undank ist der Welten Lohn: Ein Teppichhändler wurde Waffenverkäufer und Schwarzgeld-Beschaffer der CDU/CSU – und sitzt nun im Knast

Zehn Jahre hat sich der frühere Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber (75), eine der Schlüsselfiguren im sogenannten CDU-Spendenskandal, der Auslieferung an deutsche Behörden widersetzt. In der Bundesrepublik erwartet ihn nach der Abschiebung aus Kanada ein Prozeß wegen Steuerhinterziehung, Betrugs und Bestechung.

Wir erinnern uns: Er hat die CDU in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. So hieß es, als die »guten« Beziehungen zwischen Schreiber und den Christdemokraten ruchbar wurden. Diese Wertung ist mehr als nur undankbar. Schreiber hat der Union – wozu ja bekanntlich auch die CSU in Bayern gehört – zu größten Erfolgen verholfen. Denn: Money makes the world go round! Zu deutsch: Geld schmiert die Welt.

Es gibt niemanden, der Karlheinz Schreiber hätte das Wasser reichen können, wenn es um das Verknüpfen von wirtschaftlichen mit politischen Interessen ging. Daß dies nicht nur im Rahmen des normalen und legalen Lobbyismus zu bewerkstelligen war, ist logisch.
Glaubt man Leuten aus seinem Umfeld, so war schon Klein-Karlheinz ein Handels-Genie. Nach 1945 half er seinen Eltern durch allerlei Tauschgeschäfte aus dem Nachkrieg. Die ersten realen Geschäfte machte Schreiber dann als – nun sagen wir – Teppichhändler.

Teppiche waren damals zumindest eine gutbürgerliche Angelegenheit, weshalb der Geschäftsmann rasch Zugang zu entsprechenden Kreisen fand – und zur CSU. Spätestens seit den 1980er Jahren soll er Millionenbeträge der Rüstungsindustrie über Tarnkonten an Politiker verteilt haben. In der Münchner CSU-Parteizentrale war er gern gesehen, CDU-Größen freuten sich, wenn der Mann mit einem Koffer kam.

Der Wirtschaftsbeirat der Union verschaffte ihm den Kontakt zu Franz Josef Strauß, dessen Vertrauter er mit der Zeit wurde. Nicht jeder Amigo bekam eine silberne Armbanduhr mit den Strauß-Initialen FJS. Und kann sie, wie Schreiber, voller Stolz herumzeigen. Legendär waren wohl die feuchtfröhlichen Feste mit CSU-Prominenz, die in Schreibers Partykeller in Kaufering stattfanden. Doch all das ließ sich nicht verbergen, zumal Schreiber auch zu sehr Spießer war, um damit nicht zu protzen. Aus der Unperson Schreiber wurde einen Mann des öffentlichen Interesses.

Doch dafür mußte er auch hart arbeiten. Als – wie man sagt – Waffenlobbyist. Er vermittelte Aufträge für Hubschrauber, Airbus-Flugzeuge und Spürpanzer, er knüpfte Verbindungen zwischen dem Stahlriesen Thyssen und der bayerischen Staatskanzlei, er hatte gute Kontakte zum Bundesnachrichtendienst. Doch der Mann mit dem Koffer wurde schnell zu einem Risiko. Als in Augsburg 1995 ein Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Schreiber eröffnet wurde, kamen auch Schmiergeld-Geschäfte ans Licht. Die sogenannte CDU-Parteispendenaffäre nahm ihren Lauf.

Die soliden Beziehungen der Union zur Justiz konnten nicht mehr verhindern, daß Fahnder hinter das Tarnnetz für illegale Parteispenden blickten. Bundeskanzler Helmut Kohl stand plötzlich als Verantwortlicher im Zentrum der Verdächtigungen. Doch nicht nur er. Der damalige Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep, hat, so wurde ermittelt, von Schreiber auf einem Parkplatz im grenznahen schweizerischen St. Margarethen eine Million D-Mark in einem Koffer erhalten. Das Geld floß anschließend in die schwarze Parteikasse der CDU. Holger Pfahls, einst im Büro des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Strauß, dann Oberagent beim Verfassungsschutz und Staatssekretär im Militärministerium, bekam von Schreiber Millionenbeträge auf ein Schweizer Konto, weil er beim Verkauf von Fuchs-Spürpanzern aus Bundeswehrbeständen nach Saudi-Arabien geholfen hat.

Auch Rechtsanwalt Max Strauß, Sohn des großen FJS, soll rund fünf Millionen DM erhalten haben und mußte vor Gericht. 2000 geriet auch der damalige CDU-Chef und heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Visier. Schreiber erinnerte sich nämlich, daß er Schäuble 100.000 Mark in einem Briefumschlag übergeben habe. Schäuble hatte dieses zuerst bestritten, trat aber später als Vorsitzender der CDU zurück.
Schreiber war zu der Zeit bereits mit seiner Frau Barbara aus der Schweiz nach Kanada geflüchtet. Kurz nach Ankunft 1999 in Toronto tauchte er unter einem falschen Namen unter. Ohne einflußreiche Freunde aus dem politischen Grau-Milieu ist das nicht machbar. Zivilfahnder der Royal Canadian Mountain Police fanden ihn dennoch in einem Appartement in der Bloor Street West in Toronto.

Schreiber war in Kanada wegen eines Panzerdeals und mutmaßlicher Bestechung einiger Minister in der damaligen Brian Mulroney-Regierung gesucht worden. Für das Panzergeschäft soll Karlheinz Schreiber 3,9 Millionen kanadische Dollar vereinnahmt haben, die er nicht versteuerte. Das ist das juristisch zu Ahndende. Der Rest unterliegt höchstens moralischen Beurteilungen. Auch Kanadas Ex-Premier Mulroney geriet an den Pranger. Er soll als Premier Schmiergeld für eine Panzerfabrik angenommen haben.

Als das Geschäft mit den Panzern nicht mehr lief, sattelte Schreiber auf Pasta um, gründete eine Imbisskette und wollte ins lukrative Schulspeisungsgeschäft einsteigen. Doch da hatte die Regierung in Ottawa beschlossen, dem Haftbefehl der Augsburger Staatsanwaltschaft zu folgen und Schreiber nach Deutschland abzuschieben. Dank gewiefter Anwälte gelang es ihm jahrelang, in Kanada der Übergabe an die deutsche Justiz zu entgehen.

Derweil lebte der Gesuchte recht gut, denn er verstand das Spielchen mit den kleinen Erpressungen einstiger Freunde so gut, daß die ihn vermutlich deckten, wo es nur ging. Wer mag schon ein Erdbeben unter seinen Füßen? Ob es jetzt dazu kommt, wird sich zeigen.

René Heilig, Berlin