»Wertebasierter« Boykott
Bidens Sprecherin beeilte sich jedoch mitzuteilen, daß man die Sportler nicht an der Teilnahme an Olympia hindern wolle, schließlich hätten sie sich hart darauf vorbereitet. The business must go on.
Selbstverständlich war das erneut Wasser auf die Mühlen der wackeren selbsternannten Verteidiger der Menschenrechte auch in unseren Breitengraden. Ganz besonders in Berlin ging einigen Leuten diese Erklärung runter wie Öl, vor allem der designierten Außenministerin, einer Expertin im Völkerrecht, wie sie selbst sagt. Man mußte nicht lange warten, bis das Gerede über einen totalen Boykott der Spiele erneut Fahrt aufnahm. Wohin das führt, bleibt abzuwarten. Ganz sicher jedoch nicht zu einer Welt der politischen Entspannung, der Zusammenarbeit und des Friedens.
Seit über 70 Jahren unternimmt man in den westlichen Hauptstädten alles Mögliche und Unmögliche, um der Entwicklung in China unter der Führung der Kommunistischen Partei Schaden zuzufügen. Die Liste ist lang, die wichtigsten Stichworte lauten Taiwan, Hongkong, Tibet, Uiguren. Niemand weiß, wie viele Millionen in Dollar und anderen westlichen Währungen ausgegeben wurden, um oppositionelle Gruppierungen und »Dissidenten« zu finanzieren, Unruhen zu schüren, weltweite Kampagnen zu entfachen. Das Thema ist in den Medien so allgegenwärtig, daß nicht nach Beweisen gefragt wird, sondern die Behauptung ausreicht, in China würden massiv Menschenrechte verletzt. Und stets der Hinweis, daß all das mit »unseren Werten« nicht vereinbar sei.
Abgesehen davon, daß »unsere Werte« niemals definiert wurden, sondern wie ein Axiom schlicht postuliert werden, wird kein Gedanke darauf verschwendet, wie grundlegende Menschenrechte, die in UNO-Dokumenten beschrieben und verankert sind, in den Ländern verletzt werden, die »unseren Werten« entsprechen. Man denke an das Recht auf ein Leben in Frieden, das Recht auf Arbeit, auf angemessene gesundheitliche Versorgung, das Recht auf Wohnen – um nur einige wichtige zu nennen.
Ein Recht auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Grundlage der »wertebasierten« kapitalistischen Ordnung, ist übrigens in keinem Dokument der UNO enthalten. Und in der »wertebasierten« westlichen Welt stört es auch niemanden, daß für den Bau der Wettkampfstätten der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar im November/Dezember kommenden Jahres Tausende Bauarbeiter ihr Leben lassen mußten, als Folge einer übermäßigen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Boykottaufrufe von Gewerkschaften in aller Welt werden von zuständigen Politikern regelmäßig abgeschmettert. Schließlich ist man mit den Herrschenden in der absoluten Monarchie des Emirats Katar, in dem jegliche Opposition harten Verfolgungen ausgesetzt ist, in fester Kumpanei eng verbunden…