Ausland13. Dezember 2023

Zoff unter Putschistinnen

Machtkampf zwischen Präsidentin und Generalstaatsanwältin in Peru. Linke Abgeordnete fordern Neuwahlen

von Volker Hermsdorf

Die politische Krise in Peru spitzt sich weiter zu. Ein Jahr nach dem Putsch gegen den linken Präsidenten Pedro Castillo vom 7. Dezember 2022 bekämpfen sich Drahtzieher und Profiteure des Staatsstreichs gegenseitig bis aufs Messer. Hauptbeteiligte sind Generalstaatsanwältin Patricia Benavides und Putschpräsidentin Dina Boluarte.

Die De-facto-Staatschefin hatte vor einer Woche gegenüber örtlichen Medien gefordert, daß gegen Benavides »umgehend« ermittelt werden müsse. Inzwischen führte die Nationalpolizei eine Razzia in deren Büros mit der Begründung durch, ein von Benavides angeführtes kriminelles Netzwerk aufzudecken. Nahezu zeitgleich reichte die Staatsanwältin eine Verfassungsbeschwerde gegen Boluarte und Ministerpräsident Alberto Otárola wegen Todesfällen bei Protesten gegen die Regierung ein.

Nun erwarte Boluarte und Benavides, die vor einem Jahr mit falschen Anschuldigungen einen parlamentarischen Staatsstreich gegen den gewählten Präsidenten durchgeführt und bei den Protesten dagegen »unsere indigenen Brüder massakriert haben«, das gleiche Schicksal, kommentierte der ehemalige bolivianische Präsident Evo Morales den Machtkampf innerhalb der peruanischen Rechten.

Der Streit fördert immer mehr Details über Machenschaften und korrupte Strukturen des Regimes zutage. Der ehemalige Antikorruptionsstaatsanwalt César Azabache vertrat die Ansicht, daß »was auch immer passiert, dies eine tödliche Krise ist«. Mehrere Parlamentarier nahmen die Staatskrise zum Anlaß, erneut an die Forderung großer Teile der Bevölkerung nach Neuwahlen zu erinnern. »Eine Staatsanwaltschaft, deren Leitung mutmaßlich Teil eines kriminellen Netzwerks ist, untergräbt die gesamte Glaubwürdigkeit dieser Institution. Was geschehen ist, ist ein Beweis dafür, daß alles zum Schaden des Landes verrottet ist. Es ist notwendig, die Wahlen vorzuziehen«, wurde die Abgeordnete Ruth Luque Ibarra vom linken Bündnis Juntos por el Perú (JP) zitiert.

Boluarte wiederholte gegenüber dem Nachrichtensender Telesur auf einer Pressekonferenz ihre Forderung nach dem Rücktritt von Benavides und behauptete erneut, daß sie eine in der Staatsanwaltschaft verankerte kriminelle Organisation leite.

Aus den ehemaligen Komplizinnen sind erbitterte Feindinnen geworden. Unterstützt von Anhängern des seinerzeit inhaftierten Exdiktators Alberto Fujimori und anderen rechten Politikern hatte Benavides drei Monate nach ihrem Amtsantritt am 2. Juli 2022 den Sturz des vom Volk gewählten Präsidenten Pedro Castillo eingeleitet. Sie warf ihm vor, »Kopf einer kriminellen Vereinigung« zu sein und forderte den Kongreß auf, ihn seines Amtes zu entheben. Die rechte Mehrheit der Abgeordneten folgte der Generalstaatsanwältin. Profiteurin des Staatsstreichs war Dina Boluarte, die am 7. Dezember 2022 unter Mißachtung der peruanischen Verfassung als Präsidentin eingesetzt wurde.

Unabhängig davon steht die Generalstaatsanwältin nun selbst im Fokus von Ermittlungen. Eine Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption an der Macht prüft die Existenz eines »kriminellen Netzwerks unter der Leitung von Benavides«, das versucht haben soll, »illegal Einfluß auf die Entscheidungen der Gesetzgeber zu nehmen«. Dies geschah bei mindestens drei Gelegenheiten: um die Entlassung der Leiter des nationalen Justizrates zu fördern, um die Ernennung des derzeitigen Menschenrechtsbeauftragten Josué Gutiérrez Cóndor zu fördern und um die ehemalige Generalstaatsanwältin Zoraida Ávalos aus dem Amt zu entfernen.

Das Netzwerk soll die Entscheidungen von Abgeordneten zugunsten von Benavides beeinflußt haben. Im Gegenzug dafür habe sie mehrere Kongreßabgeordnete vor strafrechtlichen Ermittlungen geschützt, berichtete die spanische Agentur Efe.

Für Benavides, aber auch für ihre bisherige Komplizin Boluarte wird es eng. Laut der jüngsten Umfrage des Instituts für Peruanische Studien (IEP) lehnen 85 Prozent der Peruaner ihre Regierung ab, nur noch acht Prozent unterstützen sie. Das sei die niedrigste Zustimmung seit ihrem Amtsantritt, heißt es in der Umfrage. Auch die Arbeit des Kongresses wurde von 91 Prozent der Befragten mißbilligt.