IWF: Libanon steuert auf »nie endende Krise« zu
Der Libanon steuert ohne rasche Reformen nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf eine »nie endende Krise« zu. Ein Festhalten am Status quo werde »unumkehrbare Folgen für das ganze Land« haben, vor allem für Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen, erklärte der IWF am Donnerstag. Es drohten ein weiter ungebremster Absturz der Landeswährung und eine »Inflationsspirale«, warnte der IWF weiter. Der Libanon befinde sich an einem »sehr gefährlichen Scheideweg«.
Die libanesische Regierung habe sich vor einem Jahr zu Reformen verpflichtet, diese aber nicht umgesetzt, kritisierte der IWF. Es brauche nun sofortiges Handeln. Dies sei auch die Voraussetzung, um einen dringend benötigten Milliardenkredit vom IWF zu erhalten. Sollten die Reformen nicht bald umgesetzt werden, würden Armut und Arbeitslosigkeit hoch bleiben. Der Mittelmeerstaat steckt seit Ende 2019 in der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Sie wird unter anderem auf jahrzehntelange Korruption in Politik und Wirtschaft zurückgeführt. Drei Viertel der gut sechs Millionen Bewohner leben nach Angaben der UNO in Armut.
Beirut und der IWF hatten im April 2022 zur Rettung der Wirtschaft im Grundsatz eine Einigung über einen Kredit in Höhe von drei Milliarden US-Dollar (aktuell 2,75 Milliarden Euro) erzielt. Der IWF knüpfte dessen Freigabe aber an die Umsetzung nötiger Reformen. Die Landeswährung befindet sich im freien Fall und hat in der Krise 95 Prozent ihres Werts verloren. Die Inflation liegt aktuell bei 190 Prozent. Allein am Dienstag verlor das libanesische Pfund 15 Prozent seines Werts gegenüber dem US-Dollar.
Anzumerken ist: Unter »Reformen« versteht der IWF neoliberale Maßnahmen wie Privatisierungen und Kürzungen der öffentlichen Ausgaben. Diese dürften die Spaltung der libanesischen Gesellschaft allerdings noch weiter vorantreiben.