Ausland15. Mai 2021

Das Ballymurphy-Massaker

Endlich Gerechtigkeit – Ein Sieg für die Familien und die Gemeinde

von »Socialist Voice«, Organ der Kommunistischen Partei Irlands

Die Entscheidung der Richterin Siobhan Keegan, zu erklären, daß die zehn getöteten Menschen »an dem fraglichen Tag völlig unschuldig an jeglichem Fehlverhalten waren«, ist ein willkommener und wichtiger Sieg für die Familien derjenigen, die vor 50 Jahren in Ballymurphy, West Belfast, von der britischen Armee ermordet wurden.

Dieser Sieg für die Familien und ihre Unterstützer ist ein Zeugnis für ihren unerschütterlichen Glauben, den sie 50 Jahre lang aufrechterhalten haben, daß ihre Lieben völlig unschuldig waren und von der britischen Armee ermordet wurden.

Das Gerichtsmediziner-Urteil bringt einmal mehr die Rolle der staatlichen Repressionstruppen Britanniens beim Tod vieler hundert unschuldiger Menschen sowie bei der Tötung hunderter politischer Gegner ans Licht. Diese Tötungen wurden direkt von der britischen Armee und ihren Ersatztruppen, der RUC und UDR, durchgeführt. Darüber hinaus leiteten und kontrollierten die Briten loyalistische Terrorgruppen und steuerten deren Tötungsaktionen.

Das Urteil der Richterin entlarvt einmal mehr die sorgfältig aufgebaute Fassade des britischen Staates, daß sie ehrliche Makler in den sechs nordirischen Grafschaften sind, daß der Einsatz der britischen Streitkräfte dazu diente, die Gemeinschaft vor den Aktionen des bewaffneten Widerstands zu schützen. In Wirklichkeit wurden sie geschickt, um die politischen und militärischen Interessen Britanniens in dem Teil Irlands zu stützen und zu sichern, den London nach wie vor besetzt hält und kontrolliert.

Es ist klar, daß die britische Regierung und der britische Staat alles tun werden, was notwendig ist, um diejenigen zu schützen, die die Befehle ausführten, die gegeben wurden als Teil der britischen Strategie der Unterdrückung all derer, die die britische Kontrolle und Herrschaft in Frage stellen. Die Briten sind kein neutraler Schiedsrichter, der zwei »kriegführende Stämme« auseinander hält. Sie schufen den abgetrennten Teil Irlands vor einem Jahrhundert. Sie finanzierten ihn und sichern ihn damals wie heute.

Es gibt noch viele weitere Fälle wie den der »Ballymurphy 10«. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Morde des britischen Staates unter den Teppich gekehrt werden oder ein Moratorium für historische Verbrechen eingeführt wird. Der irische Staat hat vor über fünf Jahrzehnten tatenlos zugesehen, er muß zur Rechenschaft gezogen werden und gezwungen werden, sich an die Seite all der Familien zu stellen, die durch die Hand des britischen Staates und seiner nordirischen Marionetten gelitten haben. Die Regierung Irlands hat die Pflicht, für die Wahrheit einzutreten, um allen Opfern des britischen Staates Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Die Briten können und sollten nicht vom Haken gelassen werden für ihre Morde.

Es gibt eine wichtige Schlußfolgerung für diejenigen, die an die Sicherung eines vereinigten, unabhängigen und souveränen Irland glauben, und besteht darin, daß Britannien weder neutral ist noch eine positive Kraft in Irland darstellt. Britannien ist die koloniale Überwachungsmacht in den sechs Grafschaften Nordirlands.

Übersetzung: ZLV

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Britische Regierung entschuldigt sich

Opfer des Ballymurphy-Massakers waren unschuldige Zivilpersonen

Rund 50 Jahre nach dem Tod von zehn Menschen im Nordirlandkonflikt hat Premier Boris Johnson sich im Namen der britischen Regierung für die damaligen Ereignisse entschuldigt. Der Premier bedauerte die »große Qual, die die langwierige Suche nach Wahrheit« für die Familien der Getöteten verursacht habe, ließ Downing Street am Mittwochabend mitteilen. Seine Regierung wolle sich »für Versöhnung und Fortschritte im nordirischen Friedensprozeß« einsetzen, so Johnson.

Eine am Dienstag veröffentlichte offizielle Untersuchung der Vorfälle hatte ergeben, daß »mindestens neun der zehn Zivilisten« im Jahr 1971 während einer »Militäroperation« in Belfast durch Schüsse von Soldaten getötet worden waren. Alle Getöteten seien »vollkommen unschuldig« gewesen, uteilte die Vorsitzende Richterin Siobhan Keegan. Strafrechtliche Folgen hat das jedoch vorerst nicht. Einzelne Verantwortliche konnten nicht identifiziert werden.

Die Vorfälle ereigneten sich über mehrere Tage während einer »Militäroperation« in Belfast – bekannt geworden als das »Ballymurphy-Massaker«. Eine erste Untersuchung im Jahr 1972 war ohne eindeutiges Ergebnis zu Ende gegangen. Die Fälle wurden erst im Jahr 2018 neu aufgerollt.

Der Umgang mit mutmaßlichen Verbrechen durch britische Militärangehörige ist eines der heikelsten Themen des nordirischen Friedensprozesses. Bei dem Konflikt, der von Ende 1968 bis zum Karfreitags-Friedensabkommen 1998 andauerte, kämpften Anhänger der Union mit Britannien (»Unionisten«) gegen Kämpfer für und Befürworter einer Vereinigung der beiden Teile Irlands gegenüber. Die Polizei und das britische Militär waren an den Auseinandersetzungen aktiv beteiligt.

(dpa/ZLV)