Kultur21. Dezember 2022

Britische Ska-Szene trauert um »brillanten« Terry Hall

von dpa/ZLV

Die britische Ska-Szene hat einen ihrer wichtigsten Musiker verloren: Terry Hall ist tot. Das teilte seine Band The Specials in der Nacht zum Dienstag auf ihren Internetkanälen mit. Demnach starb Hall nach kurzer Krankheit, er wurde 63. Als Specials-Frontmann war er Anfang der 80er Jahre international ein Star.

Halls hypnotischer Gesang verlieh den Specials den besonderen Sound, traumwandlerischer und feiner als der von Madness, die mehr auf Partystimmung setzten und kommerziell erfolgreicher waren. Hall war Stimme und Blickfang der Gruppe: immer aus dem Ei gepellt – wie viele Fans seiner Ska-Richtung 2-tone gern im Popperlook mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille oder mit Accessoires im Schachbrettmuster.

»Ghost Town« aus dem Jahr 1981 war Halls wohl bekanntester Hit, er stand drei Wochen an der Spitze der britischen Charts. Der Videoclip, der im Geburtsjahr von MTV noch neu war, zeigt die Band zusammengestaucht in einer alten schwarzen Vauxhall-Limousine, während sie miesepetrig durch Londons verödete Innenstadt fährt. Vielleicht war die schlechte Laune nicht gespielt. Die Gruppe hatte sich, endlich wirklich erfolgreich, gerade im Streit getrennt. Ironischerweise mit ihrem größten Meisterwerk.

Die 1977 in der englischen Industriestadt Coventry gegründeten Specials waren politisch bedeutender als es auf den ersten Blick aussehen mag. Auch wenn Ska der Sound der Einwanderer aus der Karibik war: Die Zusammensetzung der Specials aus schwarzen und weißen Mitgliedern galt als revolutionär. Und die Gesellschaftskritik der Band war beißend. So beklagt »Ghost Town« die depressive Stimmung in Britannien nach dem Amtsantritt Margaret Thatchers 1979. »Too Much Too Young« machte ganz offen Teenieschwangerschaften in der britischen Arbeiterklasse zum Thema. Die Gruppe griff aber auch rassistische Diskriminierung und den Verfall gesellschaftlichen Strukturen unter Thatcher auf.

Nach Abgang bei den Specials gründete Hall die Gruppe Fun Boy Three, die den kleinen Clubhit »The Lunatics (Have Taken Over The Asylum)« hervorbrachte. Später, 2019, brachte er einige Specials-Mitglieder unter altem Namen wieder zusammen. Hall arbeitete mit Tricky und den Gorillaz. Die Band würdigte ihn als »einen der brillantesten Sänger, Songwriter und -texter, die dieses Land je hervorgebracht hat«.

Die Melancholie, die Hall stets umgab, war nicht gespielt. Der Sänger, der seine Frau und einen Sohn, sowie zwei weitere Kinder aus erster Ehe hinterläßt, verarbeitete in seinen Songs unter anderem auch extrem belastende Erfahrungen in der Kindheit. Er war im Alter von zwölf Jahren von einem Lehrer entführt und tagelang sexuell mißbraucht worden.