Ausland12. April 2023

Golfregion auf neuen Wegen

Seit der von China vermittelten Wiederannäherung der beiden Regionalmächte vor einem Monat erlebt die Region am Persischen Golf intensive Diplomatie

von Karin Leukefeld

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien waren 2016 gestoppt worden. Nachdem in Saudi-Arabien ein schiitischer Prediger wegen Anstachelung zum Aufstand hingerichtet worden war, war in Teheran die saudische Botschaft gestürmt und teilweise in Brand gesteckt worden.

Intensive Diplomatie in der persischen Golfregion

In Stellvertreterkriegen und politischen Konflikten versuchten die beiden Regionalmächte jeweils den Einfluß der anderen Seite einzudämmen. Nicht zuletzt wegen des iranischen Atomprogramms und anhaltenden Kriegsdrohungen aus Israel gegen den Iran, galt die persische Golfregion Jahre lang als Pulverfaß, das jederzeit in die Luft fliegen konnte.

Nun hat sich der Wind gedreht. Unter der Vermittlung Chinas erlebt die Region auf vielen Ebenen intensive Diplomatie. Im Jemen begannen am 9. April 2023 saudisch-jemenitische Friedensgespräche, die von einer Delegation aus dem Oman begleitet wurden. Der saudische Botschafter im Jemen, Mohammed Al-Jaber reiste nach Sanaa, um sich dort mit einer Delegation der Ansar Allah zu treffen, die in den westlichen Medien als Houthi-Rebellen bezeichnet werden. Die Delegation wurde von Mahdi al-Maschat geleitet, dem Vorsitzenden des Obersten Politischen Rates der Ansar Allah.

Ziel der Gespräche sei es, den Waffenstillstand zu stärken, teilte Al-Jaber nach einem ersten Treffen mit. Man wolle einen Dialog, um den Krieg zu beenden. Saudi-Arabien unterstütze weiteren Gefangenenaustausch und strebe eine »nachhaltige, umfassende politische Lösung« für den Jemen an.

Fortschritt in Richtung Frieden

Am 20. März hatten sich Vertreter der international anerkannten jemenitischen Regierung (Regierungssitz Aden) und der Ansar Allah (Regierungssitz Sanaa) in Genf auf den Austausch von 880 Gefangenen geeinigt. Demnach werden die Ansar Allah 181 Gefangene freilassen, darunter 15 saudische und drei sudanesische Staatsbürger. Die jemenitische Regierung wird im Gegenzug 706 Gefangene freilassen. Vermittelt worden war der Gefangenenaustausch von der UNO und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.

Ein erstes Ergebnis der Gespräche zwischen den Saudis und den Ansar Allah in Sanaa dürfte die Verlängerung des von der UNO vermittelten Waffenstillstandes um sechs Monate sein. Damit soll der Weg zu Verhandlungen geebnet werden. Während einer zweijährigen Übergangszeit soll ein Dialog zu einer politischen Lösung führen.

Der UNO-Sicherheitsrat begrüßte in einer gemeinsamen Erklärung die Entwicklung. Eine Fortsetzung des Waffenstillstands und ein innerjemenitischer Dialog unter Leitung des UNO-Sonderbeauftragten für den Jemen in Übereinstimmung mit den entsprechenden UNO-Resolutionen habe die »starke Unterstützung« des Sicherheitsrates. Der Sonderbeauftragte für den Jemen, der schwedische Diplomat Hans Grundberg, erklärte, seit Beginn des Krieges im März 2015 sei dieses »der größte Fortschritt in Richtung Frieden«. Seit 60 Jahren unterstütze die UNO den Jemen, der schon vor dem Krieg als das »Armenhaus der arabischen Welt« galt.

Wiederherstellung der iranisch-saudischen Beziehungen

Auch die direkten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran werden wiederhergestellt. Nach der historischen Begegnung der Außenminister beider Länder in Peking vor einer Woche, reiste am vergangenen Wochenende eine saudische Delegation nach Teheran, um die dortige Botschaft wieder zu eröffnen. Am Freitag wird im Gegenzug eine iranische Delegation in die saudische Hauptstadt Riad reisen, um dort die iranische Botschaft wieder zu eröffnen, teilte der iranische Vize-Außenminister Alireza Enayati mit.

Parallel werde auch das iranische Konsulat in Jeddah wiedereröffnet. Beide Regierungen haben sich zudem darauf geeinigt, die Flugverbindungen zwischen beiden Ländern wiederaufzunehmen.

Bereits am 20. März hatte der iranische Präsidentenpalast bestätigt, daß der saudische König Salman den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zu einem Staatsbesuch eingeladen hatte. Raisi nahm die Einladung an, ein Termin ist noch nicht bekannt.

Syrien bekommt Luft zum Atmen

Bewegung kommt auch in die Lage in Syrien, wo der Krieg seit 2011 schwere Verwüstungen hinterlassen hat. Die westliche Isolation durch Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien hat die gesamte Region seit Jahren wirtschaftlich geradezu erstickt. Dementgegen führt nun die politische und wirtschaftliche Wiederannäherung von Saudi-Arabien und dem Iran nicht nur dazu, daß die westlichen Strafmaßnahmen ignoriert werden.

Die Annäherung der beiden Regionalmächte verschafft der ganzen Region und auch Syrien wieder Luft zum Atmen. Saudi-Arabien als auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben Investitionen in Syrien angekündigt, um dem Land – auch nach dem verheerenden Erdbeben Anfang Februar 2023 – beim Wiederaufbau zu helfen. Allgemein wird erwartet, daß der syrische Präsident Baschar al-Al Assad von Saudi-Arabien eingeladen wird, im Mai 2023 wieder am Gipfeltreffen der Arabischen Liga teilzunehmen.