Bekämpfung der Kinderarmut mittels Bildung? Fehlanzeige!
In Luxemburg hat das Armutsrisiko für Kinder in den vergangenen zehn Jahren um 3,7 Prozent zugenommen. 24,5 Prozent der Heranwachsenden sind realer Armut ausgesetzt. Laut UNICEF liegt Luxemburg damit auf Rang 35 von 39 vergleichbaren »reichen« Ländern!
Im Koalitionsabkommen der beiden neoliberalen Parteien CSV und DP wird die Kinderarmut nicht spezifisch behandelt. Das sollte aus marxistischer Perspektive nicht verwundern, obwohl die CSV gerne etwas auf die Tränendrüse drückt, um im gleichen Atemzug – so kennt man es von falschen Samaritern – auf ihre mit barmherziger Rhetorik vorgetragenen, letztlich völlig ineffizienten almosenpolitischen Pflastern hinzuweisen, statt strukturelle Lösungen anzubieten wie z.B. die Erhöhung des Mindestlohns um 20 Prozent oder einer Umkehr der Besteuerungspyramide zu Lasten des Kapitals und einer damit möglichen Schaffung von sozialem Wohnungsraum und neuen Arbeitsplätzen in neu zu gründenden staatlich-kooperativen Sektoren.
Es gibt laut UNICEF allerdings noch andere Möglichkeiten, um der Armut zu entkommen, gerade in entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften mit hohem BIP. Formale und nicht-formale Bildung können jungen Menschen durchaus einen Weg ebnen, der aus dem sozialen Elend herausführt. Hierzu bedarf es einer starken öffentlichen Schule mit gut geschultem sowie der Schüleranzahl genügendem Lehr- und Betreuungspersonal, kleinen Klasseneffektiven, einer Harmonisierung des Übergangs zwischen der Grund- und Sekundarschule, einer Berufsausbildung mit motivierenden Perspektiven – um nur einige erforderliche Reformaspekte zu nennen.
Zwar hat die CSV auf bildungspolitischer Ebene ein Wahlprogramm präsentiert, das zweifellos einige vernünftige Punkte enthält. Im Regierungsprogramm ist davon indes nichts mehr zu erkennen. Das Kapitel zur Bildungspolitik trägt die Handschrift des DP-Politikers Claude Meisch. Und das ist die Krux, wenn es darum geht, mittels Bildung die Kinderarmut und die Armut generell zu bekämpfen. Der Bildungsminister hält stur an seiner Aufspaltungspolitik fest. Drei neue »Europaschulen« sollen die Luxemburger Bildungslandschaft »bereichern«, das ist eine der wenigen konkreten Mitteilungen des äußerst vagen Textes. Die liberale Schulpolitik wird die soziale und zugleich auch die kulturelle Segregation, die man in der Luxemburger Gesellschaft seit zwei Jahrzehnten verstärkt beobachten kann, definitiv zementieren.
Mitnichten wird es zu mehr schulischer Fairness kommen, wenn EU-Schulen als Parallelangebote gepriesen werden. Mit einer solchen Bildung »à la carte«, beruhend auf einer Internationalisierung des schulischen Angebots sowie einer Intensivierung der privatwirtschaftlich inspirierten »Schulautonomie«, wird Schülern und Eltern vorgegaukelt, dass sich ein individueller Bildungsweg zurechtschneidern lässt.
Diese Politik läuft auf nichts anderes hinaus als auf eine definitive Zersplitterung des ehemals universalen Charakters der öffentlichen Schule und eine Formatierung des Schülers gemäß kapitalistischer Logik. Schulische Parallelangebote erzeugen langfristig Parallelgesellschaften.
Angesichts sich vertiefender sozialer Widersprüche und einer heterogener, individualistischer sowie unsolidarischer werdenden Gesellschaft müsste mit einer Stärkung der öffentlichen Schule in sozialer Hinsicht und einer Aufwertung der handwerklichen Lehre, z.B. durch die Vereinheitlichung und Anpassung der Lehrlingsentschädigungen an den Mindestlohn, entgegengesteuert werden. Nach solchen notwendigen Maßnahmen sucht man im Koalitionsprogramm vergebens.