Ausland11. Juni 2025

Piraterie in der Ostsee

Die NATO-Ostseeanrainer verschärfen ihre Attacken auf mißliebige Öltanker und brechen dabei geltendes internationales Recht

von German Foreign Policy

Rechtswidrige Operationen der NATO-Ostseeanrainer gegen mißliebige Öltanker drohen zu einer Eskalation der Spannungen in der Ostsee zu führen. Seit einem NATO-Ostseegipfel im Januar sind mehrere Anrainerstaaten bestrebt, Rechtfertigungen dafür zu finden, aus russischen Häfen kommende Tankschiffe festzusetzen und sie nach Möglichkeit zu beschlagnahmen.

Das Recht auf friedliche Durchfahrt

Entscheidend für die Beurteilung des Vorgehens der NATO-Ostseeanrainer gegen Schiffe, der willkürlich einer sogenannten russischen »Schattenflotte« zugeordnet werden, ist zunächst die völkerrechtliche Lage. Dabei ist »eines der Grundprinzipien« des UNO-Seerechtsübereinkommens, wie die Direktorin des Instituts für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS) an der Universität Greifswald, Sabine Schlacke, in der vergangenen Woche auf einem Fachportal erläuterte, »die Freiheit der friedlichen Durchfahrt von Schiffen auf Meeren und Ozeanen«. »Die Kontrolle von Schiffen«, stellt Schlacke fest, »obliegt primär dem Flaggenstaat«.

Die EU dagegen hat »im Grundsatz kein Zugriffsrecht auf unter fremder Flagge fahrende Schiffe«, wenn sie »die Ostsee passieren«. Das gilt im Kern sogar in den Hoheitsgewässern, die bis zwölf Seemeilen vor die Küste reichen. Dort dürfe gegen Straftaten vorgegangen werden, konstatiert die IfEU-Direktorin. Ob Eingriffe erlaubt seien, »wenn ein Schiff aufgrund seines schlechten Zustands nur abstrakt die Umwelt« gefährde, sei zumindest zweifelhaft. In der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), einem Seegebiet zwischen zwölf und 200 Seemeilen vor der Küste, gebe es so gut wie keine Eingriffsrechte. Anrainer dürften dort Windenergie erzeugen oder Fischfang treiben, jedoch nicht einmal »Spionage oder die Zerstörung von Unterseekabeln« verfolgen.

Eskalation in der Grauzone

Seit einem Gipfeltreffen, das sie am 14. Januar in Helsinki abgehalten haben, sind die NATO-Ostseeanrainer erkennbar bestrebt, mit ihrem Vorgehen gegen russische Schiffe in der Ostsee die seerechtlichen Grenzen auszutesten.


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