Luxemburg17. Juli 2020

Gleichstellung im Schneckentempo

Auch der neue Nationale Aktionsplan des Gleichstellungsministeriums setzt beim Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheit auf Freiwilligkeit

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Zwar mache Luxemburg in Sachen Geschlechtergleichstellung »Fortschritte«, dies »aber langsamer als andere europäische Länder«, räumte die zuständige Ministerin Taina Bofferding am Freitag bei der Vorstellung des neuen »Nationalen Aktionsplans für Gleichheit zwischen Frauen und Männern (PEGA)« ein. Es ist bereits der vierte Aktionsplan seitdem das Gleichstellungsministerium vor einem Vierteljahrhundert eingerichtet wurde. Und auch PEGA setzt auf »das Prinzip der Freiwilligkeit«, auf Sensibilisierungskampagnen, die sich insbesondere an Jugendliche richten, und auf gutes Zureden. Unternehmen, die Frauen für die gleiche Arbeit schlechter entlohnen als Männer, haben nichts zu befürchten, denn auch hier wird auf »Freiwilligkeit« gesetzt.

Nachdem die Geschlechter »de jure« (dem Gesetz nach) gleichgestellt seien, so die Ressortchefin, müsse nun Gleichheit im Alltag (»de facto«) erreicht werden. Sieben prioritäre Ziele würden »mit 48 Maßnahmen und 99 konkreten Aktionen« angegangen: die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements für die Gleichstellung der Geschlechter, die Bekämpfung von Stereotypen und Sexismus z.B. in der Werbung, die Förderung des Gleichstellungsgedankens in der Kindererziehung, die Förderung der »Gleichstellung am Arbeitsplatz«, auch hinsichtlich der Entlohnung, und zwar indem die Betriebe dazu »ermutigt« und dabei »begleitet« werden, die Einbeziehung der und die Förderung des Austauschs zwischen den Gemeinden, die Bekämpfung der häuslichen und der über das Internet verbreiteten Gewalt (»cyber violence«) sowie die »Förderung/Ermutigung der Herausbildung einer egalitäreren Gesellschaft«.

Wie die Gleichstellungsministerin erklärte, will sie beispielsweise mit der Handelskonföderation über sexistische Werbung und sich sexistischer Stereotype bedienendem Kinderspielzeug reden. Auch sei in der Coronapandemie deutlich geworden, daß traditionelle Geschlechterrollen auch in Luxemburg noch längst nicht überwunden sind. Es seien nach wie vor die Mütter, die sich hauptsächlich um den gemeinsamen Nachwuchs kümmerten. Im Lockdown dürfte der Anteil der den Hauptteil der Sorgearbeit übernehmenden Väter weiter gesunken sein, vermutet Bofferding und läßt das nun wissenschaftlich untersuchen. Noch in diesem Jahr soll das geplante »Observatoire de l’égalité« seine Arbeit im Bereich häusliche Gewalt aufnehmen, hieß es weiter.

Erfreut zeigte sich die Ministerin ob der 40-Prozent-Frauenquote in Verwaltungsräten von Betrieben mit staatlicher Beteiligung. Ob gutes Zureden reichen wird, um die Lohndiskriminierung im Privatsektor abzuschaffen, wird sich zeigen. Anzunehmen ist es nicht. Wirkungsvoller wären sicherlich stichprobenartige Lohnkontrollen einer Behörde wie der ITM oder dem Zoll, wobei auf Verstöße gegen ein gesetzliches Gebot der Lohngleichheit Sanktionen in Form von Geldstrafen folgen müßten. Andernfalls bleibt auch der vierte »Nationale Aktionsplan« ein zahnloser Papiertiger.

oe

Neuere Versionen der Plastikpuppe »Barbie« des US-amerikanischen Spielzeugmultis Mattel bedienen sich weniger sexistischer Stereotype als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Progressive Rollenbilder sind jedoch nach wie vor keine Selbstverständlichkeit (Foto: Daniel Karmann/EPA)