Leitartikel06. März 2024

»Ausbeutung gibt es in Afrika« … aber doch nicht in Luxemburg, oder?

von Ali Ruckert

Wenn hierzulande Plattformbeschäftigte in immer größerer Zahl bis auf die Knochen ausgebeutet werden, dann ist das eigentlich ein Dauerskandal, der leider keine allgemeine Entrüstung auslöst.

Das hat viele Gründe. Dazu zählt, dass diese Ausbeutungsverhältnisse nur wenig bekannt sind, weil die hiesigen Medien nicht oder nur sporadisch darüber berichten. Dazu zählt auch, dass viele Menschen solche Verhältnisse als gottgegeben akzeptieren oder mit der Lösung der eigenen Probleme so intensiv beschäftigt sind, dass sie keinen Blick und erst recht keine Kraft haben, um die Ungerechtigkeiten, die um sie herum geschehen, wahrzunehmen und darauf zu reagieren.

Ohnehin ist das Bewusstsein darüber, dass es hierzulande Ausbeutung gibt, eher gering. Ausbeutung ist in den Augen vieler, wenn Kinder in Afrika oder Asien Fußbälle zusammennähen oder Ziegel schleppen müssen. Das ist natürlich schlimm und gehört abgeschafft, aber wenn die Erkenntnis nicht darüber hinaus geht, verhindert das, dass die hiesigen Ausbeutungsverhältnisse richtig erkannt werden.

Das ist der Fall, weil die Schaffenden unter dem Einfluss der bürgerlichen Ideologie stehen, die ihnen einimpft, die Welt sei bis ans Ende aller Tage in Ordnung, wenn der »Arbeitgeber« einen gerechten Gewinn und der »Arbeitsnehmer« einen gerechten Lohn bekommt.

Was dabei verschleiert wird, ist, dass es unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen weder gerechte Gewinne noch gerechte Löhne geben kann, weil die Wechselbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit auf der Ausbeutung der Arbeitskraft der Lohnabhängigen aufgebaut sind. In der Gesellschaft und in der Wirtschaft gibt es entsprechende Mechanismen, welche dafür sorgen, dass sich diese Ausbeutungsverhältnisse immer wieder reproduzieren.

Das hat – um es mit einem Beispiel zu illustrieren – zur Folge, dass der eine Aktionär der Luxemburger Handelskette Cactus in einem Jahr insgesamt 200 Millionen Euro Dividende in die eigene Tasche stecken darf, während die tausenden Angestellten hingegen, von denen die allermeisten niedrige Löhne haben, sich mit vergleichsweise bescheidenen Lohnaufbesserungen zufriedengeben mussten. Und auch die waren nur möglich, weil die Gewerkschaft sich kräftig ins Zeug legte. Freiwillig hätte der »liebe Sozialpartner« ihnen gar nichts gegeben, wie das in vielen Betrieben der Fall ist, in denen nur wenige Lohnabhängige gewerkschaftlich organisiert sind.

Welche Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen?

Die erste besteht darin, die Ausbeutungsverhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen und, indem man sich in der KPL engagiert und dabei hilft, Bewußtsein unter den Lohnabhängigen dafür zu schaffen, dass die Besitzverhältnisse in der Wirtschaft demokratisiert werden müssen, und eine Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen möglich wird. Dazu bedarf es eines langen Atems.

Die zweite Schlussfolgerung ist kurzfristiger ausgelegt und zielt darauf ab, bei den anstehenden Sozialwahlen jene Kolleginnen und Kollegen in die Personalvertretungen zu wählen, die sich am konsequentesten der Ausbeutung widersetzen, am mutigsten für Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und arbeitsrechtliche Verbesserungen streiten. Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur ersten Schlußfolgerung.