Ausland11. September 2021

Propaganda in der BBC

Britischer Sender muß falsche Berichterstattung über Syrien eingestehen

von Karin Leukefeld

Ende 2020 veröffentlichte die Britische BBC im Radioprogram 4 eine Dokumentation über einen angeblichen Giftgasangriff auf Duma, Syrien, im April 2018. Die interne Kontrollinstanz der BBC, die Executive Complaints Unit (ECU) hat nun festgestellt, daß die Sendung »schwerwiegende Ungenauigkeiten« enthielt.

In der Dokumentation von BBC Radio 4 mit dem Titel »Der Kanister auf dem Bett« waren Unwahrheiten über einen ehemaligen Inspektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) behauptet worden. Der Inspektor gehörte dem Inspektorenteam an, das im Auftrag der OPCW vor Ort in Damaskus und Duma den Angriff untersucht hatte.

Diffamierung eines Whistleblowers

»Alex«, wie er sich nannte, hatte im Oktober 2019 über Manipulationen bei der Untersuchung des »Douma-Falls« und bei der Anfertigung des OPCW-Abschlußberichts hingewiesen. Ausführlich berichtete der Wissenschaftler damals einer kleinen Gruppe ausgewählter ehemaliger britischer und US-amerikanischer Diplomaten und Militärs und Journalisten bei einem Treffen, das von Wikileaks und der Courage Foundation organisiert worden war, die Julian Assange und andere Whistleblower unterstützen.

Inspektor »Alex« habe behauptet, der Chemiewaffenangriff sei »inszeniert« worden, hieß es in dem BBC-Stück. Dafür, daß er an die Öffentlichkeit gegangen sei, habe Wikileaks ihm die Zahlung von 100.000 US-Dollar in Aussicht gestellt. Der britische Journalist Peter Hitchens, der für die Tageszeitung »Mail on Sunday« ausführlich über den umstrittenen OPCW-Duma-Abschlußbericht geschrieben hatte, hatte sich nach Ausstrahlung der Sendung an die BBC Kontrollbehörde gewandt und protestiert. In der Sendung war Hitchens unterstellt worden, er teile »die russische und syrische Sicht auf den Krieg« in Syrien.

Falsche Behauptungen eingeräumt

Nach fast zehn Monaten Untersuchung bestätigte die BBC-Kontrollbehörde ECU nun den Protest von Peter Hitchens. Die Sendung weise erhebliche »Ungenauigkeiten« auf, enthalte falsche Behauptungen und entspreche »nicht den BBC-Standards«. Hitchens begrüßte die Entscheidung als »großen Sieg für die Wahrheit«. Motivation der OPCW-Whistleblower sei immer die »strikte Beachtung der wissenschaftlichen Wahrheit« gewesen. Es sei den Wissenschaftlern nicht um Geld gegangen und sie hätten das Ende ihrer Karriere in Kauf genommen. Er selber arbeite nicht im Auftrag einer Regierung, fügte Hitchens hinzu. »Schon gar nicht für Moskau oder Damaskus«.

Die Berichte von »Alex« und anderen Inspektoren, die den offiziellen OPCW-Abschlußbericht zu Duma zurückgewiesen hatten, führten zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den USA, Britannien und Frankreich auf der einen und der Russischen Föderation auf der anderen Seite im UNO-Sicherheitsrat. Auch Deutschland, das als nicht ständiges Mitglied dem Sicherheitsrat 2019 und 2020 angehörte, wies Fragen und Kritik an der offiziellen OPCW-Darstellung zum Geschehen in Duma zurück.

Westen verhindert Aufklärung

Verschärft wurde die Sache durch die hartnäckige Weigerung der westlichen Staaten, den Inspektoren mit ihrer abweichenden Meinung zu dem Geschehen in Duma, eine OPCW-interne Anhörung und Diskussion zu ermöglichen.

Die USA, Britannien und Frankreich hatten ohne Beweise über das Geschehen in Duma abzuwarten, den syrischen Staat verantwortlich gemacht. Noch vor der OPCW-Untersuchung in Duma und ohne Einwilligung des UNO-Sicherheitsrates starteten sie massive militärische »Vergeltungsschläge« gegen Syrien.

Medien schweigen

Deutschsprachige Medien hatten der Öffentlichkeit bis auf wenige Ausnahmen – darunter auch die »junge Welt« in Berlin und die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« – die Aussagen der ehemaligen OPCW-Inspektoren komplett verschwiegen. Eine Erklärung der »Berlin Gruppe 21«, in der u.a. die ehemaligen UNO-Diplomaten Hans von Sponeck, Richard Falk und der erste OPCW-Generalsekretär José Bustani für eine Anhörung der ehemaligen OPCW-Inspektoren eintraten, wurde ebenfalls ignoriert.

Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte auf Nachfragen der Autorin mit vorgefertigten Erklärungen, die mit »weiteren Partnern« abgesprochen waren. »Eine neue Bewertung des Douma-Vorfalls wäre ... überflüssig und unnötig«, hieß es zuletzt. Es handele sich lediglich um »systematische Versuche, die Arbeit der OVCW zu diskreditieren«.