Ausland10. Juli 2014

Strammer Stehaufmann

Ob General a.D. Prabowo neuer Staatspräsident Indonesiens wird, ist ungewiß. Gewiß ist, als Restpo­sten des Suharto-Regimes trägt er zur Entsorgung der Vergangenheit bei
Dem Zeitgeist verhaftet und die Gunst des Augenblicks nutzend, präsentierte sich der 62-jährige Präsidentschaftskandidat, Exgeneral und Exschwiegersohn Suhartos populistisch: »Ich werde dafür Sorge tragen«, erklärte Prabowo Subianto vor wenigen Tagen auf einer Wahlveranstaltung in Madura (Ostjava), »daß unsere Fußballnationalmannschaft künftig an Weltmeisterschaften teilnimmt. Und ich möchte, daß sich Indonesien auch als Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft bewirbt«. Da muß Prabowo zwar mindestens bis 2026 warten. Aber der Stimmung tat das keinen Abbruch; man feierte den Mann und sein Versprechen bereits im Hier und Jetzt.

Überdies hat der Exgeneral im Tandem mit seinem Vizekandidaten Hatta Rajasa folgende Punkte im Falle ihres Wahlsieges hoch auf die Agenda gesetzt: Erweiterung der Anbauflächen von Reis, Nutzung moderner Düngemittel, Ausbau der Gas- und Ölproduktion, Umweltschutz, stabile Preise bei Grundnahrungsmitteln, Kampf gegen Kleptokratie und scharfes Vorgehen gegen illegalen Holzeinschlag.

Bei dem Zweiergespann Joko Widodo – im Volksmund kurz »Jokowi« genannt – und Jusuf Kalla, das vor Wochen in der Wählergunst laut Umfragen die Nase weit vorn hatte, aber mittlerweile reichlich Federn lassen mußte, hört sich das so an: Zuverlässige Ermittlung von Marktchancen (zum Beispiel beim Verkauf von Papayas), Ausbau des Energiesektors und Entwicklung einer entsprechenden Infrastruktur, Zurückfahren von Nahrungsmittelimporten, Balance zwischen Entwicklung und Umweltverträglichkeit.

Statt Fußball versprach Jokowi, u.a. die Tofuproduzenten zu schützen und sich landesweit für stabile Preise einzusetzen. So austauschbar die Programme sind, so ereignislos verliefen die insgesamt fünf im Fernsehen übertragenen Debatten, in denen jeweils die eine Seite der anderen vorwarf, lediglich Bombastisches zu versprechen, statt ernsthaft avisierte Vorhaben zu implementieren.

Bereits als 32-Jähriger war Prabowo Subianto, aufgewachsen in einer gut situierten Familie und mit kosmopolitischen Erfahrungen, Hauptmann in den Kopassandha, den Kommandospezialkräften des Heeres, die später in Kopassus umbenannt und zur Elitetruppe der »Aufstandsbekämpfung« wurden. Ebenfalls im Jahre 1983 heiratete Prabowo mit Siti Hediati Harijadi (Titiek) eine Tochter des Präsidenten, die nach ihrer Trennung 2001 heute eine Reunion erwägen. Diese Liaison verschaffte ihm Privilegien und gestattete es ihm, sich unter stets neidvollen Blicken seiner Kameraden Dinge herauszunehmen, die eher höheren Rängen vorbehalten waren.

Prabowos militärische Karriere führte ihn unter anderem in die USA nach Fort Bragg und Fort Benning sowie im Jahre 1981 für mehrere Monate zur GSG9 nach Hangelar bei Bonn. Was er dort an zusätzlichem Drill und Schliff erfuhr, konnte er seit 1982 gemeinsam mit Major Luhut Pandjaitan im Rahmen der neuen Antiterrorsondereinheit »Detachment 81« in die Tat umsetzen. Mehr noch als Prabowos Rolle bei der Entführung studentischer Aktivisten in der Spätphase der Amtszeit seines Schwiegervaters geriet sein staatsterroristisches Draufgängertum im völkerrechtswidrig annektierten Osttimor ins Fadenkreuz heftiger Kritik. Dort eskalierten seit August 1983 die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der widerständigen Fretilin und indonesischen Militäreinheiten. Die Speerspitze des gnadenlosen Feldzugs gegen die Guerilla und die Zivilbevölkerung bildete zweifellos die Kopassus. Diese sorgte auch für die Formierung proindonesischer Milizen, die Ende der 1990er ihrerseits schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen.

Mit dem Abgang von Suharto 1998 sank auch der Stern Prabowos. Noch im selben Jahr mußte er wegen Befehlsverweigerung und eigenmächtigen Handelns demissionieren. Zeitweilig lebte er bei Verwandten und Freunden in Jordanien, um danach zielstrebig sein politisches Comeback vorzubereiten.

Rainer Werning