Ablaßbriefchen für Völkermord
Deutschland liefert nach »Ehrenerklärung« aus Israel weiter Waffen
Wir haben Waffen geliefert und wir werden Waffen liefern«, bekräftigte der sozialdemokratische deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz anläßlich der Palästina-Debatte des Bundestags. Die Klarstellung im Sinne der »Staatsräson« war wohl nötig, nachdem zuvor Kanzleraspirant Friedrich Merz von der CDU das Klagelied über »verschleppte Exportgenehmigungen für Munition und Ersatzteile für Panzer« an Israel angestimmt hatte.
In der Tat bescherte der Waffenhandel mit Israel den deutschen Rüstungskonzernen im Jahr 2023 einen Geldregen von 326,5 Millionen Euro, zehnmal soviel wie im Vorjahr, und die Exporte boomten so richtig, als ab dem 8. Oktober auf Gaza die Bomben fielen. Ab Frühjahr 2024 sah das dann anders aus, kein schweres Kriegsgerät, Bomben und Granaten, nur noch Kleinwaffen, die man auch beim Waffenhändler um die Ecke kaufen kann. Exportgenehmigungen des für Kriegswaffen zuständigen Bundessicherheitsrates blieben aus.
Wenn es um das Wohl der deutschen Rüstungsindustrie geht, zeigt sich der Bundessicherheitsrat ansonsten gar nicht zimperlich, neben den milliardenschweren Exporten von Tötungsmaschinerie in die Ukraine gab er Ende 2023 Großbestellungen für Luft-Boden-Raketen für Saudi-Arabien frei, beim türkischen Militär, das kurdische Milizen aus der Luft bombardiert, traf Mitte September eine Lieferung im Wert von 336 Millionen Euro ein.
»Bild« meldete am 13. Oktober, den Grund für die seit Monaten schleppende Genehmigung von Waffenlieferungen an Israel aufgedeckt zu haben. Das Zentralorgan des Staatsräson-Boulevards hatte über Informanten in Kabinettskreisen Witterung aufgenommen und berichtete über eine »antiisraelische grüne Verschwörung«. Die Bundesminister Robert Habeck und Annalena Baerbock con der grünen Partei hätten an weitere Rüstungsexporte nach Israel die Bedingung geknüpft, »die israelische Regierung müsse der deutschen Regierung schriftlich versichern, die Rüstungsexporte aus Deutschland nicht für einen Völkermord einzusetzen«.
Das unterschriebene Ablaßbriefchen aus Israel soll gerade noch rechtzeitig vor der Bundestagsdebatte in Berlin eingetroffen sein, so daß der nunmehr gewissensberuhigte Kanzler weitere Waffenexporte in Aussicht stellen konnte.
Abgesehen davon, daß der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkerrechtsverbrechen gesuchte israelische Ministerpräsident Netanjahu wohl alles unterschreiben würde, was die militärische Eskalation im Nahen Osten voranbringt, darf gefragt werden, was sich die Bundesregierung von einem solchen »mysteriösen Zettel« (»Berliner Zeitung«) erwartet.
Auffällig ist, daß die pünktlich mit Beginn des Bombardements von Gaza am 8. Oktober 2023 in großem Stil gestarteten deutschen Waffenlieferungen gerade dann abrupt nur noch auf kleinster Flamme weiterliefen, als im Januar 2024 die Völkermordklage Südafrikas gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag einging und der IGH Israel unter Beobachtung stellte. Ganz eng wurde es für die Bundesregierung dann, als Nicaragua auf den Plan trat und Deutschland wegen seiner Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet vor dem IGH wegen »Beihilfe zum Genozid« anklagte.
Deutschland kam am 30. April erst einmal davon, das Hauptsacheverfahren, in dem auch neue Beweise gesammelt werden, läuft noch. Ein Zettel mit einer israelischen Ehrenerklärung wird Olaf Scholz da nicht viel helfen. Als studierter Jurist dürfte ihm bekannt sein, daß jede Verteidigung auf Sand gebaut ist, bei der der Angeklagte erklärt, er habe nicht gewußt, was er tat.
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt bei einer Debatte über den Krieg Israels im Nahen Osten am 10. Oktober im Bundestag »als Abgeordneter«: »Wir haben Waffen geliefert und wir werden Waffen liefern« (Foto: Kay Nietfeld/dpa)