Leitartikel31. Oktober 2024

Wertschätzung durch Vertrauen statt Büro-Obst

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Derzeit geistert eine neue Idee zur Arbeitswelt durch die Medien, welche von einer britischen Unternehmensberatungsagentur in die Welt gesetzt wurde. Der »Null-Bock-Tag«. Ein Tag, welcher mit Erlaubnis des Chefs eingeschoben werden könnte, wenn es mal gar nicht geht, sich aufzuraffen, um Arbeiten zu gehen. Wie dies umgesetzt werden soll, bleibt ungewiss. Befürworter feiern dies als Teil einer Modernisierung der Arbeitswelt, während die Gegner argumentieren, daß Arbeit manchmal auch wehtun müsse.

In der Realität hapert es noch immer an der Einbeziehung moderner Technologie, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Und wenn die Technologie zum Einsatz kommt, dann zur Überwachung der Beschäftigten. Brauchbare Ideen gibt es aber. Während Studien bereits mehrfach die Vorteile für Beschäftigte, wie Unternehmen im Zusammenhang mit einer echten Vier-Tage-Woche, nicht dem belgischen Etikettenschwindel mit längeren Arbeitstagen, belegen konnten, sträuben sich viele Unternehmen, in denen es möglich wäre, weiterhin etwa gegen eine flächendeckende Telearbeit, obwohl auch diese deutliche Vorteile für beiden Seiten bringen kann.

Das Statec stellte im Sommer fest, daß eine Zunahme von Home Office etwa bei deutschen Grenzgängern zu einer Abnahme der Berufspendler auf den Autobahnen geführt habe. Zwar würde dieser Effekt zurückgehen, weil viele nach der Pandemie nach und nach wieder in die Büros zurückbeordert würden, doch ein Effekt sei sichtbar.

Die Argumentation nach Handelsriese Amazon auch des luxemburgischen Patronats für eine Beendigung der Telearbeit, war so kurz wie widersinnig: Die Pandemie sei schließlich vorbei. Vorbei ist jedoch nicht die technologische Entwicklung, vorbei sind nicht der positive Effekt einer funktionierenden »Work-Life-Balance« oder die Effekte auf Klima und Straßenverkehr.

Die Ökonomin Dr. Annina Hering sieht die Tendenz der Rückrufe aus dem Home Office kritisch. Sie sieht in einem Artikel von Anfang des Monats einerseits eine Unzufriedenheit der zurückgeholten Beschäftigten und andererseits eine damit einhergehende Verkleinerung des Kreises zukünftiger Jobkandidaten für diese Unternehmen, da die angebotenen Stellen ohne eine Telearbeit-Möglichkeit deutlich unattraktiver seien.

Aus denen von ihr ausgewerteten Daten gehe hervor, daß die Schere zwischen Rückrufen ins Büro und dem weiterhin ungebrochen hohen Interesse an Remote-Arbeitsplätzen sich immer weiter öffne. Erst im vergangenen Juli habe die Nachfrage nach Home Office-fähigen Stellen etwa in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Viele Jobsucher schauten gezielt nach diesem Faktor in Stellenangeboten, so die Ökonomin, die vorschlägt, die Interessen der Beschäftigten ernster zu nehmen und etwa auf Mischmodelle zu setzen zwischen Präsenz und Heimarbeit.

Der Konflikt, der sich hier zeigt, dürfte größtenteils der patronalen Angst um Kontrollverlust geschuldet sein. Dabei zeugt gerade ein Vertrauen in diesem Bereich von Wertschätzung, was Motivation und Produktivität deutlich zuträglicher sein dürfte, als Obstkörbe, Tischfußball oder oberflächliche Team-Spielereien, wie den Chef duzen zu dürfen.

Die gesellschaftliche Entwicklung wird zeigen, daß die neuen Generationen von Lohnabhängigen nicht faul sind, sondern einfach auch bei der Arbeit mehr vom Fortschrittskuchen abhaben wollen, im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben.