»Wirtschaftsnobelpreis«
Nun stehen also alle Männer und Frauen fest, die am 10. Dezember in Stockholm bzw. Oslo mit einem Nobelpreis ausgezeichnet werden. Während es in den Kategorien Medizin, Physik und Chemie durchaus möglich ist, hervorragende Leistungen zu identifizieren und angemessen zu ehren, ist das im Bereich der Literatur oder gar der Preiskategorie »Frieden« schon weniger evident.
Letzterer soll nach Maßgabe des Dynamiterfinders und Preisstifters Alfred Nobel an denjenigen vergeben werden, »der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt« und damit »im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht« hat.
Und so gehört der zwar mehrfach nominierte Mahatma Gandhi, für viele der Inbegriff des Pazifisten, nicht, wohl aber der Drohnenkrieger Barack Obama zu den Trägern des Nobelpreises für Frieden.
Noch schwerer als das vom norwegischen Parlament bestimmte fünfköpfige Komitee, das den Friedensnobelpreis vergibt, hat es freilich die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften mit der Vergabe des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften.
Die fälschlicherweise oft »Wirtschaftsnobelpreis« genannte Auszeichnung wurde erst 1968 von den Herren der Schwedischen Reichsbank gestiftet und wird seit 1969 vornehmlich an US-Amerikaner oder mindestens an Forschungsinstituten oder Hochschulen in den USA arbeitende »Wissenschaftler« vergeben.
Das ist auch in diesem Jahr mit den Preisträgern Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer so: Die in Frankreich geborene Duflo ist mittlerweile auch Staatsbürgerin der USA und arbeitet zusammen mit ihrem in Indien geborenen Ehemann Banerjee seit vielen Jahren am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology in Cambridge; Kremer ist seit 1999 Professor an der Harvard University, die sich ebenfalls in Cambridge, Massachusetts befindet.
Spätestens seit 2008, als der »Economist« die damals 35-Jährige zu den acht »einflußreichsten Ökonomen der Welt« zählte, galt Duflo als Anwärterin auf den Preis, der als renommierteste Auszeichnung für sogenannte Wirtschaftswissenschaftler gilt.
Doch der Anspruch, die Nobelpreise seien so etwas wie der Siegespokal für die Allerbesten, ist zumindest so zweifelhaft wie die Interessenlage derjenigen, die ihn – sicher nicht zufällig – 1968 gestiftet haben. Und was soll ein Preis für Kaffeesatzleserei, bei der höchstens die Methoden etwas mit Wissenschaft zu tun haben?
Das Trio erhalte ihn für ihren »experimentellen Ansatz zur Linderung der globalen Armut«, wurde zur Begründung mitgeteilt. Und tatsächlich hat ihre Methode, Vergleichsstudien, wie man sie aus der Medizin kennt, auf die Armutsforschung anzuwenden, sie zu den meistzitierten Ökonomen der Gegenwart gemacht. Nun ist es aber so, daß Duflo und Kollegen den Armen der kapitalistischen Welt unterstellen, selbst Schuld an ihrem Elend zu sein, und Vorschläge zu ihrer Disziplinierung machen, statt sich – wie es in ihrer Sprache heißt – die »makroökonomischen« Ursachen der Armut anzusehen.
So schlägt Duflo in ihrem 2013 auf Deutsch erschienenen Buch »Kampf gegen die Armut« vor, hohe Fehlzeiten von Lehrern in Kenia, die wegen ihrer miesen Bezahlung nebenher noch in weiteren Jobs arbeiten müssen, nicht durch eine Lohnerhöhung zu bekämpfen, sondern mit befristeten Arbeitsverträgen, um die »Motivation« der Lehrer zu steigern.
Duflo, Banerjee und Kremer sind also würdige Nachfolger reaktionärer Preisträger wie z.B. Friedrich August von Hayek und Milton Friedman.
Oliver Wagner