Kriegsübungen in Südostasien
Vermehrte Kriegsübungen in der Asien-Pazifik-Region aus. USA halten Rekordmanöver in Südostasien ab
Die deutsche Bundeswehr verstetigt ihre Kriegsübungen im Indischen und im Pazifischen Ozean und wird im nächsten Jahr mehr Einheiten der Marine und der Luftwaffe in die Asien-Pazifik-Region entsenden als zuvor. Der deutsche Kriegsminister Boris Pistorius nahm – als erster deutscher Ressortchef seit langem – am Shangri-La Dialogue teil, der aktuell wichtigsten Sicherheitskonferenz in Asien, und führte Gespräche mit seinem singapurischen Amtskollegen Ng Eng Hen.
Zugleich dehnen die USA ihre Kriegsübungen in Südostasien auf Rekordniveau aus, während China bemüht ist, den militärischen Einfluß des Westens nicht allzu stark werden zu lassen.
Bedeutender Rüstungskunde
Der Stadtstaat Singapur, der drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgibt – 10,7 Milliarden US-Dollar pro Jahr –, ist nicht nur einer der bedeutendsten Kooperationspartner der USA-Streitkräfte in der Region, sondern auch einer der größten Abnehmer deutscher Rüstungsexporte außerhalb der NATO. Im Jahr 2020 genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von einer knappen Viertelmilliarde Euro an die singapurischen Streitkräfte; 2021 waren es sogar Ausfuhren in Höhe von 630 Millionen Euro. Bei Großwaffen war Deutschland zuletzt der drittgrößte Lieferant des Landes nach Frankreich und den USA. Geliefert wurden unter anderem mehr als 200 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, außerdem weitere gepanzerte Fahrzeuge, vor allem Berge- und Brückenlegepanzer, zuzüglich Panzerabwehrwaffen und Munition.
Vor allem aber ist die Bundesrepublik ein wichtiger Ausrüster der singapurischen Marine, deren größere Kriegsschiffe überwiegend deutsche Modelle sind und die entweder aus der Bundesrepublik geliefert oder in Singapur in Lizenz gebaut wurden.
Militärischer Kooperationspartner
Zu den umfangreichen Rüstungsexporten kommt eine zuletzt kontinuierlich zunehmende Zusammenarbeit mit Singapurs Streitkräften hinzu, die rund 72.000 Soldaten umfassen – bei einer Bevölkerung von gerade einmal gut 5,6 Millionen Menschen, von denen allerdings nur 3,5 Millionen Staatsbürger sind, eine hohe Zahl. Singapurs Panzertruppen trainieren – auch, weil der äußerst dicht besiedelte Stadtstaat nicht über wirklich ausgedehnte militärisch nutzbare Flächen verfügt – regelmäßig auf deutschen Truppenübungsplätzen, früher in Bergen, inzwischen in der Oberlausitz.
Auch singapurische U-Boot-Crews werden in der Bundesrepublik ausgebildet. Umgekehrt ist ein Verbindungsoffizier der deutschen Marine am Information Fusion Centre (IFC) in Singapur stationiert, einer klar vom Westen dominierten Institution, die Informationen über »die maritime Sicherheit« in der Region austauscht, darunter Waffen- und Drogenschmuggel, Piraterie und maritimer Terrorismus.
Dabei gilt die militärische Kooperation vor allem auch deshalb als bedeutend, weil Singapur unmittelbar an der Straße von Malakka und damit an dem bedeutendsten Seeweg zwischen Ostasien sowie dem Mittleren Osten, Afrika und Europa liegt. Der Stadtstaat unterhält eine intensive Zusammenarbeit mit den U.S. Armed Forces.
Deutsche Kriegsschiffe im Pazifik
All dem entspricht, daß Singapur auch eine wichtige Rolle bei den jüngsten Asien-Pazifik-Aktivitäten der Bundeswehr spielt. Bereits die Fregatte »Bayern«, die von August 2021 bis Februar 2022 im Indischen und im Pazifischen Ozean kreuzte, legte in Singapur an und übte gemeinsam mit der singapurischen Marine. Auch das deutsche Luftwaffengeschwader, das im vergangenen Jahr zu Manövern nach Australien verlegt wurde, machte in Singapur Station. Ein Teil der Einheit traf im Anschluß an die Manöver zu weiteren Übungen in dem Stadtstaat ein.
Die Bundeswehr wird in diesem Sommer mit Fallschirmjägern und mit Spezialkräften des Seebataillons an dem Manöver Talisman Sabre 23 in Australien teilnehmen und nächstes Jahr erneut ein Luftwaffengeschwader nach Australien sowie zwei deutsche Kriegsschiffe in den Pazifik entsenden. Letztere sollen unter anderem am Großmanöver der USA »Rim of the Pacific« teilnehmen sowie die von den USA geführten Marineoperationen zur Überwachung des UNO-Embargos gegen Nordkorea unterstützen.
Rekordmanöver
Inzwischen brechen die USA in Südostasien Manöverrekorde – im Bestreben, ihre Kontrolle über die Region zu intensivieren und China so weit wie möglich zu verdrängen. Washington weitete die Zahl der Soldaten, die im vergangenen Sommer an »Super Garuda Shield« teilnahmen, einer seit 2009 regelmäßig abgehaltenen US-amerikanisch-indonesischen Kriegsübung, auf mehr als 5.000 aus – mehr denn je zuvor. Militärs zu dem Manöver entsandt hatten insgesamt 14 Staaten, darunter erstmals Australien, Japan und Singapur.
Vom 28. Februar bis zum 10. März dieses Jahres nahmen mit mehr als 6.000 USA-Soldaten an »Cobra Gold« in Thailand teil, einem bereits seit mehreren Jahrzehnten regelmäßig abgehaltenen Manöver, das als größtes auf dem südostasiatischen Festland gilt. Insgesamt waren mehr als 10.000 Militärs aus rund 30 Staaten beteiligt. Im April hielten die USA ihre bislang größten gemeinsamen Kriegsübungen mit den Streitkräften der Philippinen ab; an ihnen waren sogar annähernd 18.000 Soldaten beteiligt – 12.200 aus den USA, 5.400 aus den Philippinen und etwas über 100 aus Australien.
USA-Einfluß begrenzen
Auch China stärkt seine Militärübungen mit diversen Staaten Südostasiens, so etwa mit Indonesien. Ende 2022 einigten sich die Armeeminister beider Länder, ihre Streitkräfte sollten künftig enger miteinander kooperieren und die gemeinsamen Übungen nach pandemiebedingten Unterbrechungen wieder intensivieren. Im April folgten ein gemeinsames Marinemanöver mit Singapur sowie eine gemeinsame Seepatrouille mit Vietnam, die erstmals von den Spitzen der Küstenwachen beider Länder angeleitet wurde.
Letztere Maßnahme verdient einige Aufmerksamkeit, da die USA sich seit Jahren systematisch bemühen, Vietnam gegen China in Stellung zu bringen.
Beobachter weisen darauf hin, daß in der chinesischen Militärstrategie gemeinsame Übungen mit den Streitkräften fremder Staaten insbesondere dazu dienen, auf politischer wie auch militärischer Ebene wechselseitiges Vertrauen aufzubauen – und auch dazu, ein exklusives, gegen China gerichtetes Militärbündnis der betreffenden Länder mit den USA zu verhindern. Dabei kam erst vor kurzem eine Analyse des Lowy Institute aus Sydney zu dem Resultat, China übe in Südostasien auf militärischem Feld bereits stärkeren Einfluß aus als die USA.
Gegen einen »neuen Kalten Krieg«
Mit Ausnahme der Philippinen, die kürzlich einen umfassenden Kurswechsel vollzogen haben und sich seitdem als loyaler Parteigänger ihrer Ex-Kolonialmacht USA zu profilieren suchen, sind die Länder Südostasiens bemüht, im Machtkampf der USA gegen China nicht fest auf eine Seite gezogen zu werden. »Niemand will in einer Lage sein, in der wir entweder China eindämmen oder Amerikas Präsenz begrenzen müssen«, erklärte Singapurs stellvertretender Premierminister Lawrence Wong auf dem Shangri-La Dialogue: Niemand in Südostasien wünsche »einen neuen Kalten Krieg«.