Ausland21. Dezember 2023

Plant die Ukraine eine nächste »Frühjahrsoffensive«?

von Rainer Rupp

Was steckt hinter den Berichten über eine neue »Gegenoffensive« der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2024? Auch in deutschen Zeitungen geistern entsprechende Berichte von »Experten«.

Derzeit gibt es keine offiziellen Stellungnahmen zu diesem Thema – weder von der politischen Führung der Ukraine noch von der NATO-Führung oder von den Anführern des »kollektiven Westens«. Selbst die Führung der Streitkräfte der Ukraine hat zu diesem Thema bisher nichts Konkretes verlauten lassen. Mit anderen Worten: Die meisten Informationen über eine angebliche neue ukrainische »Offensive« im nächsten Frühling sind Gerüchte, die in Medien, die den westlichen Kriegstreibern nahestehen, als Wunschdenken verbreitet werden.

Die Aussagen ukrainischer Vertreter beschränken sich im Allgemeinen auf Forderungen nach neuen Waffenlieferungen und auf Beschwerden, über den akuten Mangel an Munition, weil der Westen mit den versprochenen Lieferungen nicht nachkommt. Die Kommunikation aus Kiew an den Westen läßt auf folgende Aussage reduzieren: »Wir würden ja gerne weiter angreifen, aber wir haben nicht genug Material.« Und dann folgt eine lange Liste von Waffen und militärischer Ausrüstung, die geliefert werden sollen.

Angesichts des starken Rückgangs der militärischen Lieferungen aus der EU, des aktuellen Stopps aus den USA bis wahrscheinlich Februar nächsten Jahres und gestiegener Unsicherheit über eine Wiederaufnahme der massiven Unterstützung Washingtons für die Monate danach ist es schwierig, über Aussichten neuer Offensivpläne der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2024 überhaupt zu diskutieren.

Woher kommen die Berichte über angeblich neue ukrainische Gegenoffensivpläne? In der Regel handelt es sich dabei um private Meinungen von »Experten« und Journalisten, die zunehmend verzweifelt den Krieg mit neuem Elan wieder anheizen wollen.

In der deutsche Tageszeitung »Die Welt« argumentiert beispielsweise ein Artikel des »Sicherheits- und Krisenexperten« Alfred Hackensberger vom 15.12.2023 unter dem Titel: »Ukraine-Krieg: 95 Prozent unbenutzte Waffen – kann Kiew den Krieg noch gewinnen?«, daß die Ukraine wahrscheinlich (!) Ressourcen für eine neue »Gegenoffensive« im nächsten Jahr sammelt. Die ukrainische »Gegenoffensive« der letzten fünf Monate sei zwar »klar zum Stillstand gekommen und der Westen zögert mit seiner Unterstützung«, schreibt der »Experte«. »Doch ist die Lage an der Front wirklich so hoffnungslos? Nicht unbedingt. Es deutet sich an, daß Kiew einen Plan vorbereitet.«

Worauf stützt sich eine solche Meinung? Eigentlich nur auf heiße Luft. In dem Artikel wird hypothetisch beschrieben, wie eine neue »Gegenoffensive« aussehen könnte, und welche Bedingungen dazu erfüllt sein müßten, damit diese erfolgreich wäre.

Als Quellen gibt Hackensberger Daten der pro-ukrainischen »Oryx« an, die von »Bellingcat«-Mitarbeiter Jakub Janowski gemanagt wird. Es waren diese komplett verzerrten »Oryx«-Daten, auf die sich westliche Mainstream-Medien und Think Tanks maßgeblich gestützt hatten, als sie Anfang 2023 den »absolut sicheren Sieg der Ukraine« und die »Eroberung der Halbinsel Krim« im Laufe in der geplanten »Frühjahrs-Offensive« voraussagten. Wegen vieler Probleme kam diese aber erst mit dreimonatiger Verspätung im Verlauf des Sommers und des Herbstes zustande.

Es waren absichtlich jenseits jeglicher Realität gefakte Daten, die in Erwartung der Offensive der ukrainischen Streitkräfte die Politiker und Kriegsberichterstatter des kollektiven Westens in einen Kriegs- und Siegesrausch versetzten. Dabei hätte bei einer realistischen Einschätzung der Lage diese Offensive nie stattfinden dürfen. Denn trotz unvorstellbarer ukrainischer Verluste an Menschen und Material konnte die ukrainische Führung weder ihre militärischen noch ihre politischen Ziele auch nur annähernd erreichen.

Auch für den Westen ist die total gescheiterte ukrainische Offensive, die man bestenfalls als »dynamischen militärischen Stillstand« beschreibt, eine einzige politische Katastrophe. Gleiches gilt für das technologische Prestige der eingesetzten westlichen »Wunderwaffen«, die keine der in sie gesetzten Erwartungen erfüllten, weil die Russen entweder bereits die Gegenmittel hatten oder diese in kürzester Zeit, oft innerhalb von Tagen, entwickelten.

Und dennoch haben die medialen Kriegstreiber nichts dazu gelernt. Sie nützen weiterhin gefakte Daten und verbreiten Narrative über angebliche riesige Verluste der russischen Streitkräfte und deren mangelnde Kampfbereitschaft, während gleichzeitig die ukrainischen Soldaten und ganz allgemein die Kampffähigkeiten der Streitkräfte der Ukraine maßlos überbewertet werden. Diese Herangehensweise hat sich allerdings als zweischneidiges Schwert erwiesen. Bereits im Juni 2023 konnten sich die falschen Narrative angesichts der Realität nicht länger halten, wodurch in die Glaubhaftigkeit westlicher Medien und Politiker vor allem in der nicht-westlichen Öffentlichkeit stark gelitten hat.

Bemerkenswert ist, daß unmittelbar nach dem Scheitern der ukrainischen »Gegenoffensive« das »Oryx«-Projekt hastig geschlossen und alle Veröffentlichungen auf dem respektiven Twitter-Account mit den Informationen über die angeblich tollen Erfolge der ukrainischen Offensive gelöscht wurden. Zuvor hatte das vom britischen Geheimdienst gesteuerte Projekt immer wieder mit wahnhaften Aussagen über das Versagen der Russen geglänzt, die von westlichen Medien folgsam verbreitet wurden.

Vor diesem Hintergrund kann man über Gerüchte von einer »zweiten ukrainischen Offensive« nur müde lächeln. Tatsächlich herrscht aktuell im westlichen Medienzirkus Chaos, verursacht sowohl durch Unsicherheit über das zukünftige Schicksal des Regimes in Kiew und der Ukraine als Ganzes als auch durch einen kritischen Mangel an verläßlichen Informationen, die pro-ukrainische Quellen bisher nicht geliefert haben und auch sicherlich in Zukunft nicht liefern werden.