Auslands-Nachrichten
Zoff beim EU-Gipfel
EU prüft Ausweitung von Militäreinsatz im Mittelmeer
Im Streit um andauernde Hilfen für die Ukraine droht der EU eine Zerreißprobe. Polen und Ungarn blockierten eine geplante gemeinsame Erklärung. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hatte bereits vor dem informellen EU-Gipfel in Granada Widerstand gegen Unterstützungspläne angekündigt. Polen bekräftigte ein entschiedenes Veto gegen die »Asylreform«. Zu Vorschlägen, für die Unterstützung der Ukraine bis Ende 2027 bis zu 70 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, sagte Orbán, man werde in keinem Fall einer unüberlegten Budgeterweiterung zustimmen. Ungarn wolle einen Waffenstillstand und Frieden. Zusätzliche Waffenlieferungen würden das Töten verlängern, sagte er.
Weiteres Streitthema beim Gipfel war trotz der jüngsten Einigung auf einen entscheidenden Aspekt bei der »Asylreform« der »Kampf gegen unerwünschte Migration«. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, daß die EU bei dem Thema »noch viel Arbeit« vor sich habe. Wichtige Entscheidungen waren jüngst allerdings gegen den erklärten Willen von Ungarn und Polen per Mehrheitsentscheidung getroffen worden.
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki betonte bei dem Treffen, er habe keine Angst, sich dem »Diktat aus Brüssel und Berlin« zu widersetzen. Am Mittwoch hatte die EU Pläne für einen »Krisenmechanismus« vereinbart, wonach sie bei einem »größeren Zustrom von Migranten« weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen kann. Polen und Ungarn lehnten diesen Teil der Reform als unzureichend ab, waren aber überstimmt worden.
Zusätzlich zur geplanten Asylreform könnte die EU im »Kampf gegen unerwünschte Migration« künftig auch wieder stärker auf Militäreinsätze setzen. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wird derzeit eine mögliche Ausweitung der Operation »Irini« geprüft. Deren Hauptauftrag ist es eigentlich, ein Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen. Nun gibt es Überlegungen, diese auch zu nutzen, »um Menschenhandel und Menschenschmuggel in Tunesien einzudämmen«. Dafür bräuchte es aber das Einverständnis der Regierung in Tunis, weil ein solcher Einsatz nur in tunesischen Hoheitsgewässern erfolgreich sein könne, sagte Borrell. Zudem erwägt er, ob eine »EU-Beratermission« zur Unterstützung des Grenzschutzes in Tunesien sinnvoll sein könnte, um dafür zu sorgen, daß Flüchtlinge künftig schwerer über die südlichen Grenzen des Landes an die Mittelmeerküste kommen.
Die Staats- und Regierungschefs beschäftigen sich außerdem mit der Frage, wie die EU bei all diesen Konfliktthemen auch mit noch mehr Mitgliedern »handlungsfähig bleiben« kann. Bundeskanzler Olaf Scholz drang in Granada auf eine Reform der EU, er plädierte für mehr Entscheidungen mit qualifizierten Mehrheiten. Derzeit können viele Entscheidungen nur bei Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten getroffen werden, unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Man müsse sich auch über die Zahl der Mitglieder der EU-Kommission Gedanken machen, sagte Scholz. Außerdem gehe es um die Zahl der Sitze im Europäischen Parlament und die Finanzierung der EU.
Grenzmauer ausgebaut
USA-Präsident Biden hat die Entscheidung seiner Regierung verteidigt, entgegen früherer Versprechen einen Ausbau der Grenzmauer zu Mexiko zu genehmigen. Das Geld dafür sei unter seinem Vorgänger Donald Trump bewilligt worden, teilte das Weiße Haus am Donnerstag (Ortszeit) mit. Er habe »vergeblich versucht, den Kongreß zu überzeugen, die Mittel für andere Zwecke umzuwidmen«, sagte Biden vor Reportern. Auf die Frage, ob er glaube, daß Grenzmauern gegen irreguläre Migration wirken, antwortete er mit einem knappen »Nein«. Trump reagierte mit Spott auf die Ankündigung.
Türkische Luftangriffe in Syrien
Die Türkei hat in der Nacht zu Freitag weitere Luftangriffe in Nordsyrien geflogen. Dabei seien 30 Ziele angegriffen und »26 PKK-Terroristen neutralisiert« worden, erklärte das türkische Kriegsministerium. Die türkische Regierung rechtfertigt die am Donnerstag begonnenen Angriffe nach dem Selbstmordattentat in Ankara mit dem »Recht auf Selbstverteidigung«. Am Sonntag waren dabei zwei Polizisten verletzt und beide Angreifer getötet worden. Die türkischen Angriffe im Norden und Nordosten richteten sich laut Angaben der türkischen Armee gegen von der PKK genutzte Lager und Ölquellen. Die SDF teilten mit, es seien 15 Menschen durch die türkischen Angriffe getötet worden, sechs davon seien Zivilisten gewesen. Unser Foto zeigt eine von türkischen Angriffen zerstörte Ölanlage in der von kurdischen Kräften kontrollierten Provinz Hasakeh. Über den Drohnenangriff auf die Militärakademie in Homs berichtet unsere Korrespondentin Karin Leukefeld auf Seite 4.
Ermittlungen gegen Sarkozy zu Zeugenbestechung
Paris – Im Zusammenhang mit der Affäre um angebliche Wahlkampfgelder aus Libyen für Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy ermittelt die Justiz rund um Zeugenbeeinflussung gegen den früheren Staatschef. Ermittlungsrichter leiteten am Freitag ein Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy ein, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von der Finanzstaatsanwaltschaft. Das Verfahren kann am Ende zu einem Strafprozeß führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise gegen den Ex-Präsidenten sehen. Andernfalls können sie es auch wieder einstellen.
Die »Libyen-Affäre« dreht sich um Hinweise, wonach für Sarkozys Wahlkampf 2007 angeblich illegal Geld aus Tripolis geflossen sein soll. Der französisch-libanesische Geschäftsmann Ziad Takieddine hatte 2016 gesagt, er habe Ende 2006 oder Anfang 2007 mehrere Koffer mit Millionen Euro ins Pariser Innenministerium gebracht, das damals von Sarkozy geführt wurde. Er galt zunächst als Hauptbelastungszeuge. In einem Interview sagte er später jedoch, daß Sarkozy kein libysches Geld für den Präsidentschaftswahlkampf erhalten habe. Wiederum später sagte Takieddine, die Aussage sei verfälscht worden.
Der konservative Politiker, der von 2007 bis 2012 französischer Präsident war, liefert sich wegen verschiedener Vorwürfe bereits seit Jahren einen Kampf mit der Justiz. Im Mai bestätigte ein Berufungsgericht eine dreijährige Haftstrafe wegen Bestechung und unerlaubter Einflußnahme gegen Sarkozy, davon zwei Jahre auf Bewährung. Im November soll zudem der Berufungsprozeß um überhöhte Wahlkampfkosten für seine letztlich gescheiterte Kampagne zur Wiederwahl 2012 starten. In erster Instanz wurde Sarkozy deshalb zu einem Jahr Haft verurteilt.
Friedensnobelpreis für iranische Frauenrechtlerin
Oslo – Die iranische Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wird in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag bekannt. Sie bekommt den Preis »für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle«, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, bei der Preisbekanntgabe in Oslo.
Narges Mohammadi ist eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen im Iran und wurde bereits mehrfach inhaftiert. Aktuell verbüßt die 51-Jährige eine langjährige Haftstrafe. Ende 2022 brachte Mohammadi einen Bericht ans Licht, der mutmaßliche Folter an Dutzenden Frauen im Hochsicherheitsgefängnis aufdeckte.
Angesichts einer angespannten Weltlage mit Ukraine-Krieg, Klimakrise sowie weiteren Krisen und Konflikten in verschiedenen Erdteilen waren in diesem Jahr 259 Persönlichkeiten und 92 Organisationen für den Friedensnobelpreis in der Auswahl.
Spannungen bei Westbalkan-Konferenz
Tirana – Neuerliche Spannungen zwischen Serbien und Kosovo haben am Freitag auch das Treffen der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren Kollegen aus den Westbalkanländern überschattet. Die grüne Ministerin zeigte sich in Tirana erneut »besorgt über die Sicherheitslage in der Region, angesichts der jüngsten Gewaltakte serbischer Paramilitärs im Nordkosovo«. Es gebe einen Rückschritt in der Sicherheitslage, obwohl »wir alle gehofft und geglaubt hatten, daß wir ein gutes Stück weiter sind«, sagte Baerbock am Freitag zum Auftakt des Treffens mit ihren Kollegen aus Serbien, dem Kosovo, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und Albanien.
Das Treffen ist Teil des 2014 von Deutschland initiierten »Berlin-Prozesses«, in dem die Westbalkan-Länder an die EU herangeführt werden sollen. Die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz bestand auf Sanktionen des Westens für Serbien.
Durch den »furchtbaren Angriff« serbischer Paramilitärs auf kosovarische Polizisten am 24. September sei die Kooperation in der Region in Frage gestellt, sagte Baerbock. Im Berlin-Prozeß komme es darauf an, zunächst für Alltagserleichterungen der Bürger der sechs Westbalkan-Länder in deren bilateralem Umgang miteinander zu sorgen. Von vier geplanten »Mobilitätsabkommen« seien drei bereits umgesetzt worden. Dabei gehe es um die wechselseitige Anerkennung von Personaldokumenten sowie Schul- und Studienabschlüssen.
Palästinenser erschossen
Ramallah – Bei gewaltsamen Konfrontationen der israelischen Armee mit Palästinensern in Huwara im Westjordanland wurde in der Nacht zum Freitag ein 19-jähriger Palästinenser getötet. Die israelische Armee teilte mit, Dutzende israelischer Zivilisten hätten sich in Huwara versammelt. Siedler und palästinensische Einwohner hätten sich gegenseitig mit Steinen beworfen. Die israelische Armee habe daraufhin »Mittel zur Auflösung von Unruhen« eingesetzt. »Ein palästinensischer Verdächtiger« habe einen Steinblock auf ein israelisches Fahrzeug geworfen. Israelische Soldaten hätten auf ihn geschossen und »einen Treffer identifiziert«. Es war der vierte palästinensische Tote binnen 24 Stunden.
Aserbaidschan verdient Milliarden in der Schweiz
Zürich – Der Zürcher »Tages-Anzeiger« kommentiert am Freitag die Haltung der Schweiz angesichts des Vorgehens Aserbaidschans gegen Armenier in Berg-Karabach: »Die Schweizer Botschafterin Pascale Baeriswyl zeigte sich im UNO-Sicherheitsrat lediglich ‚tief besorgt‘. 100.000 Menschen werden vertrieben, und die offizielle Schweiz ist ‚tief besorgt‘? Noch verharmlosender geht es kaum.« Die zurückhaltende Wortwahl werde damit begründet, »daß man sich die Möglichkeit nicht verbauen wolle, als Vermittlerin aufzutreten«, schreibt das Blatt. »Man habe beiden Seiten die Guten Dienste angeboten. Läßt die Schweizer Diplomatie diesen schön klingenden Worten hinter den Kulissen auch wirklich handfeste Taten folgen? Man hofft es, weiß es aber nicht.
Was man hingegen weiß: Aserbaidschan finanziert seine Hightech-Armee wesentlich mit den Milliarden, welche die staatliche aserbaidschanische Erdölgesellschaft Socar verdient – und zwar in der Schweiz. Rund drei Viertel ihres globalen Umsatzes macht Socar über eine Handelsgesellschaft in Genf. (...) Die Schweiz ist im Konflikt zwischen den Armeniern und Aserbaidschan nicht die neutrale, noble Vermittlerin, als die sie sich gern sieht. Durch unser Verhalten unterstützen wir als ganzes Land einen Aggressor«, heißt es weiter im »Tages-Anzeiger«.
Regierung der Elfenbeinküste aufgelöst
Abidjan – Der Präsident der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, hat am Freitag seinen Ministerpräsidenten entlassen und das Kabinett aufgelöst. Bis zur Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten »in wenigen Tagen« sollten Amtsinhaber Patrick Achi und seine Minister weiter ihre Funktionen erfüllen, sagte Generalsekretär Aboudramane Cissé.
Einen Grund für die Regierungsumbildung nannte Cissé zunächst nicht. Vor gut einer Woche hatte Ouattara während einer Sitzung des Ministerrats angedeutet, er erwäge Veränderungen innerhalb der Regierung. Achi ist seit 2020 im Amt und galt bislang als enger Vertrauter des Präsidenten.
2025 stehen in der Elfenbeinküste mit 25 Millionen Einwohnern, das vor allem für seine Kakaoexporte bekannt ist, Präsidentschaftswahlen an.
Griechen sparen beim Essen
Athen – Inflationsbedingt gestiegene Preise für eine Vielzahl von Gütern haben dafür gesorgt, daß die Bürger Griechenlands im Jahr 2022 sparsamer konsumiert haben, berichtet die »Griechenland Zeitung«. So ist der monatliche Durchschnittsverbrauch selbst für zahlreiche Grundlebensmittel zurückgegangen. Der Verzehr von Olivenöl ließ gegenüber dem Vorjahr um 10,8 Prozent nach. Auch Joghurt (-7%) und Milch (-5,5%) wurden weniger nachgefragt. Der Rückgang bei Brot (-1,5%), Nudeln (-1,3%) und Reis (-1,1%) fiel etwas moderater aus, wie aus Daten der Griechischen Statistikbehörde ELSTAT hervorgeht.
Ein Anstieg des durchschnittlichen Verbrauchs war im Jahr 2022 lediglich für zwei Konsumgüter zu verzeichnen – alkoholische Getränke mit einem Zuwachs von 0,2 % und Zigaretten, deren Verbrauchsmenge sogar um 2,5 % anwuchs.
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