Ausland16. April 2019

Kein Öl für Syrien

Syrien und seine Unterstützer sollen »vom globalen Finanz- und Handelssystem abgetrennt« werden

Der letzte Winter hat die Syrer besonders hart getroffen. Es fehlt an Öl, Heizöl und Kochgas. Die syrischen Ressourcen östlich des Euphrat werden von den syrischen Kurden kontrolliert. Sie kassieren dafür, daß syrische Tanklastwagen auf den syrischen Ölfeldern gefüllt werden dürfen. Bezahlt werden sie von syrischen Geschäftsleuten, die das syrische Öl an die syrische Regierung verkaufen. Das nennt man Kriegswirtschaft.
Daß Syrien keinen Zugriff auf seine nationalen Ölressourcen hat, liegt an der USA-Administration und deren Partnern. Die USA-Armee hat die Gebiete östlich des Euphrat – wo die syrischen Ressourcen liegen – besetzt und kooperiert dabei mit den syrischen Kurden. Mal geben die Kurden die Öllieferungen frei, dann wieder nicht. Abhängig ist das vom politischen Druck, der auf sie von den USA ausgeübt wird.

Syrien erhält Unterstützung von seinen Verbündeten Rußland und Iran und neuerdings auch aus dem Irak. Die allerdings geraten dafür ins Visier der USA-Administration und werden mit Sanktionen bestraft. Eine Kreditvereinbarung mit dem Iran, auf deren Grundlage dieser an Syrien Öl im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar liefert, wird nach Auskunft von Ministerpräsident Imad Khamis aktuell neu verhandelt. Aber vor wenigen Tagen machte Khamis die USA und Ägypten dafür verantwortlich, daß seit sechs Monaten die Öllieferungen aus dem Iran an Syrien blockiert werden. Iranische Tanker seien von Ägypten im Suezkanal gestoppt worden. Ägypten weist das zurück. Der Durchgang durch den Suezkanal sei für jedes Schiff frei und könne nur blockiert werden, wenn die UNO eine Warnung ausspreche oder das Schiff sich falsch verhalten habe, erklärte die Suezkanalbehörde.

Tatsache ist, daß seit Monaten kein Öl in Syrien ankommt, weil jedes Unternehmen von den USA mit Sanktionen bedroht wird, das Syrien mit Öl oder Benzin beliefern will. Am 25. März 2019 veröffentlichte das USA-Finanzministerium eine entsprechende »Warnung« an »Reedereien, Schiffsbesitzer, Manager, Kapitäne, Versicherer und Finanzinstitutionen«. Auch wer »in irgendeiner Weise Geldtransfer, Logistik oder Versicherung« für Öllieferung an Syrien bereitstelle, müsse mit Sanktionen rechnen. Die USA seien entschlossen, »illegale finanzielle oder andere Unterstützung der syrischen Regierung« zu blockieren. Öllieferungen an die staatlichen syrischen Häfen, »egal von welchem Ort oder welcher Nationalität« würden unterbunden.

Die USA-Regierung will demnach »aggressiv jede Person als Ziel (für Sanktionen) markieren«, die »das syrische Regime« unterstützt. Mit ihren »internationalen Partnern« will die USA-Administration alles tun, um »das Assad Regime« zu blockieren. »Die Normalisierung von wirtschaftlichen oder diplomatischen Beziehungen und die Bereitstellung von Finanzen für den Wiederaufbau« würden »verhindert«, die USA seien »entschlossen, das Assad Regime und seine Unterstützer vom globalen Finanz- und Handelssystem abzutrennen«. Das sei die Antwort auf »die anhaltenden Verbrechen, die das Regime gegen das syrische Volk« verübe. Gemeinsam mit den EU-Sanktionen würden die USA den Druck auf »das Assad Regime« maximal erhöhen und »dem Regime und seinem Netzwerk von finanziellen und logistischen Unterstützern zusätzliche Kosten aufzwingen«.

Wie bei allen Wirtschaftssanktionen trifft es die Bevölkerung. Die Idee hinter den Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien ist – so der ehemalige USA-Außenmini­ster Rex Tillerson im Januar 2018 – dem Land so viele wirtschaftliche Probleme zu bereiten, daß die Bevölkerung sich gegen die Regierung erhebt. Nach dem selben Prinzip gehen die USA seit Jahrzehnten gegen Kuba vor und neuerdings auch gegen Venezuela.
Nach acht Jahren Krieg sind die Syrer allerdings der Aufstände und Kriege müde. Die Sorgen über die Strafmaßnahmen der USA und die Zukunft sind groß, doch geduldig warten die Autofahrer in kilometerlangen Schlangen vor den Tankstellen in Damaskus darauf, daß es doch wieder Benzin geben wird, auch wenn es nur 20 Liter sind.

Während in westlichen Medien über »Unruhen wegen Benzinmangels« die Rede ist, kann man davon zumindest in Damaskus nichts feststellen. Kilometerlange Autoschlangen gibt es in verschiedenen Teilen von Damaskus und im Zentrum, teilweise zweireihig, doch nirgends sind Proteste oder Unruhen zu sehen. Wohl gibt es Unmut dort, wo es Benzin gibt und Autos sich vordrängeln. Polizei und Sicherheitskräfte waren an einer solchen Tankstelle zu sehen, im Gespräch, beschwichtigend. Die Leute ertragen die Lage mit einer stoischen Gelassenheit.

Die Regierung ordnete Sparmaßnahmen an, Krankenhäuser, Bäckereien, Schulen haben bei der Belieferung mit Heizöl Vorrang. Private Autobesitzer erhalten weniger Benzin als Taxi- und Busfahrer. Wird aber keine Lösung gefunden, werden eines Tages die Räder still stehen, auf den Straßen und in den Fabriken.

Der syrische Ölminister Ali Ghanem sagte laut der in London erscheinenden Tageszeitung »Asharq al Awsat« vom 11. April, der syrische Ölsektor habe (nach acht Jahren Krieg) 74,2 Milliarden US-Dollar Verlust zu verzeichnen. Der aktuelle Öl-Bedarf Syriens wurde von Ali Ghanem mit bis zu 136.000 Barrel pro Tag angegeben.
Vor dem Krieg förderte Syrien rund 350.000 Barrel Öl/Tag. Für den eigenen Verbrauch wurde nur rund die Hälfte gebraucht, so daß die andere Hälfte verkauft werden konnte. Abnehmer syrischen Öls waren 2010 laut »Global Trade Atlas« Deutschland (32%), Italien (31%), Frankreich (11%), Holland (9%), Österreich (7%), Spanien (5%) und die Türkei (5%). Alle Länder stellten ihren Ölhandel mit Syrien 2012 ein, nachdem die Europäische Union Sanktionen gegen Syrien verschärfte. Kurz darauf, im April 2013, wurden die Ölsanktionen der EU für die Gebiete unter Kontrolle der bewaffneten Opposition in Syrien wieder aufgehoben, um die Gegner der syrischen Regierung zu stärken.

Karin Leukefeld, Damaskus

Folge der Blockadepolitik der USA und der EU: Zweireihige Warteschlangen an einer Tankstelle in Damaskus am Montag
(Foto: AFP)