Leitartikel27. April 2022

Stell dir vor, die Schaffenden hätten ein Veto-Recht in den Betrieben!

von Ali Ruckert

Die Beschäftigten des Stahlunternehmens Liberty Steel in Düdelingen erleben gegenwärtig schwere Tage. Die Versprechen eines britisch-indischen Kapitalisten, er würde in seinen Besitz in Düdelingen investieren, lösten sich in Luft auf, und die Zukunft des früheren Werks von ArcelorMittal, das in der Beschichtung von Flachstahl spezialisiert ist, steht auf der Kippe, seit das Handelsgericht Liberty Steel Lüttich in Liquidation setzte.

Erschwerend für die 190 Beschäftigten kommt hinzu, dass sie seit längerem die Daumen drehen müssen, da kein Geld da ist, um die Produktion wieder aufzunehmen. Auch wissen sie nicht, ob und wann ihr April-Lohn ausbezahlt wird, nachdem zuvor der Antrag auf Kurzarbeit für den Monat April verworfen wurde.

Diese Entwicklung ist umso tragischer, als die Preise für Stahlprodukte inzwischen stark anzogen und mit der Verzinkung von Flachstahl gutes Geld verdient werden könnte. Doch ob ein anderer Kapitalist Liberty Steel Düdelingen nach einem Konkurs aufkaufen wird, wird sich erst zeigen müssen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass hierzulande ein Betrieb, der aufgrund seiner technischen Ausrüstung, seiner Produkte und seiner hochqualifizierten Beschäftigten Gewinn bringend arbeiten könnte, den Bach hinuntergeht. Man erinnert sich, dass ArcelorMittal das Schifflinger Hüttenwerk schloß, obwohl es nach relativ bescheidenen Investitionen hätte rentabel arbeiten können. Der Grund: Der zu erwartende Profit war den Aktionären nicht hoch genug.

Der Luxemburger Staat, besser gesagt, die Regierung ließ das Schifflinger Werk vor die Hunde gehen, ohne einen Finger zu rühren. Ob das auch für Liberty Steel Düdelingen der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Gewartet wird offenbar darauf, dass sich ein Industrieller findet, der das Werk für einen Apfel und ein Stück Brot kaufen wird.

Wie bei Schifflingen ist auch im Fall von Liberty Steel Düdelingen die alte Leier zu hören, man habe keine Handhabe, und verstaatlichen könne man auch nicht, da die gesetzlichen Vorgaben das nicht zuließen.

Abgesehen davon, dass es keine Hexerei sein kann, ein Gesetz zu schreiben, das die Verstaatlichung von Betrieben möglich machen würde, fehlt es in diesem Fall ganz einfach am politischen Willen bei der liberalen DP, den liberalen Grünen und den vollständig im Kapitalismus integrierten Sozialdemokraten.

Obwohl der Staat Anteile an mehr als hundert Betrieben und öffentlich-rechtlichen Unternehmen hat oder in deren Besitz ist, lehnt die Regierung die Schaffung eines staatlichen Beteiligungsfonds ab, der die Staatsbeteiligungen an Betrieben bündeln und gezielt in die Schaffung von neuen Betrieben und in Arbeitsplätze investierten würde, weil sie den Konzernen nicht ins Gehege kommen will.

Unter den gegenwärtigen Voraussetzungen wäre ein solcher Beteiligungsfonds ohnehin keine wirkliche Alternative, da aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen keine Wirtschaftspolitik im Interesse der Schaffenden erfolgen würde. Und die Beschäftigten in Betrieben, in denen der Staat Anteile hat, größter Aktionär ist oder alleiniger Besitzer, wissen am besten, dass dieser Umstand sie bisher nicht vor Arbeitsplatz- und Sozialabbau schützte.

Um das hinzubekommen, bedarf es der Vergesellschaftung von Betrieben, was nichts anderes heißt, als dass verstaatlichte Betriebe, ebenso wie ein Beteiligungsfonds, unter direkter Aufsicht der mit einem Vetorecht ausgestatteten Lohnabhängigen und ihrer gewählten Betriebsräte arbeiten würden.

Das sind wirtschaftliche Vorstellungen der KPL, die nicht nur im Vorfeld des 1. Mai eine Überlegung wert sein sollten.