Ausland16. Juli 2025

Pistorius will die Wehrpflicht

Gesetzesentwurf für neuen Wehrdienst in Deutschland bereitet Zwang für junge Männer vor

von Vincent Cziesla

Nach monatelangem Gerede über den »zunächst freiwilligen« Wehrdienst hat der sozialdemokratische Kriegsminister Boris Pistorius die Katze aus dem Sack gelassen: Noch in diesem Jahr soll der Bundestag die Weichen für eine Wehrpflicht stellen, damit es ab Anfang 2026 losgehen kann.

50 Seiten soll der Gesetzesentwurf umfassen, der zuerst dem Magazin »Der Spiegel« zugespielt wurde. Von Anfang enthalten: die Möglichkeit, eine Dienstpflicht einzuführen. Das soll nach der zum Jahreswechsel beginnenden »zunächst freiwilligen« Phase im Einvernehmen zwischen Regierung und Bundestag jederzeit möglich sein, wenn es einen »kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist«. Damit kann die Pflicht auch jenseits des »Spannungs- oder Verteidigungsfalls« aktiviert werden. Schon ab dem kommenden Jahr werden junge Männer dazu gezwungen, einen Fragebogen auszufüllen und Angaben zu ihrer Dienstbereitschaft zu machen. Für Frauen soll das Zurücksenden der Fragebögen freiwillig sein.

Ab dem Jahr 2027 folgt dann die verpflichtende Musterung für Männer. So könne »ein konkreteres Lagebild ermöglicht werden, wie viele Wehrpflichtige wirklich für den Wehrdienst zur Verfügung stehen«. Das ermögliche »einen Zeitgewinn, wenn die verpflichtende Heranziehung zum Grundwehrdienst aktiviert werden muß«, heißt es im Gesetzentwurf.

Jedes Jahr werden etwa 300.000 junge Männer von der Pflicht betroffen sein. Erklärtes Ziel ist die Aufstockung der Bundeswehr von derzeit rund 180.000 auf 260.000 Soldaten – unterstützt von mindestens 200.000 aktiven Reservisten. Damit kommt die Bundeswehr der Forderung nach dem Aufbau eines »Massen-Heeres« entgegen, die der Präsident des Reservistenverbands, Patrick Sensburg (CDU), im Frühjahr aufgestellt hatte. Sensburg hatte mehr als eine Million aktive Soldaten und Reservisten für notwendig gehalten, »um in einem möglichen Krieg zu bestehen«.

So vollzieht sich in rasanter Geschwindigkeit ein Paradigmenwechsel in der öffentlichen Kommunikation. Im Jahr 2022 hatte der damalige Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn Forderungen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht zurückhaltend aufgenommen: »Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hoch spezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken.« General Zorn, der später Zweifel an den möglichen Erfolgen einer ukrainischen Offensive äußerte und für mehr Abwägung bei Waffenlieferungen warb, wurde im März 2023 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Der Weg zur »Kriegstüchtigkeit« führt nicht nur weg von der vermeintlichen Spezialistentruppe und hin zum Kanonenfutter, sondern ist auch mit hunderten Milliarden Euro für Militär und Hochrüstung gepflastert. Verbunden mit den Bemühungen, die Kriegsproduktion auf industrielle Massenfertigung zu trimmen, und der geplanten Stationierung von US-amerikanischen Raketen als Angriffswaffen wird immer offensichtlicher, daß die Regierung einen großen Krieg vorbereitet.

Doch dagegen regt sich Widerstand. Vor einer Woche fand in Frankfurt am Main die große Konferenz »Wehrpflicht? Ohne uns!« statt, zu der das Bündnis »Nein zur Wehrpflicht!« zusammen mit der Initiative »Nie wieder Krieg – die Waffen nieder« eingeladen hatte. »Zwangsdienst und Ausbildung zum Töten ist mit uns nicht zu machen« war das klare Resümee der Teilnehmer, die zum Abschluß zur massenhaften Beteiligung an der bundesweiten Demonstration gegen Hochrüstung und Militarisierung am 3. Oktober in Berlin aufriefen.