Ausland31. Januar 2024

Syrien fordert Abzug der Besatzungstruppen der USA

»SDF« überrascht von Planspielen im Pentagon

von Karin Leukefeld, Damaskus

Das Pentagon und das Außenministerium der USA diskutieren laut Medienberichten derzeit über einen möglichen Rückzug der USA-Truppen aus Syrien. Dabei geht es um Spezialeinheiten der USA, die unter Verletzung des Völkerrechts, ohne Mandat der UNO und gegen den Willen der Regierung des souveränen Staates Syrien auf syrischem Territorium stationiert sind, und deren Abzug Syrien seit Jahren fordert. Nach dem Angriff auf einen USA-Stützpunkt im Grenzgebiet zwischen Jordanien und Syrien ist das Thema erneut in den Vordergrund getreten.

Wie das Internetportal »Al Monitor« vor wenigen Tagen unter Berufung auf anonyme Quellen berichtete, soll in verschiedenen Washingtoner Kreisen ein Papier des Pentagon zirkulieren, wonach sich die kurdisch geführten »Syrien Demokratischen Kräfte« (SDF) mit der syrischen Regierung verbünden sollen, um den Kampf gegen den »Islamischen Staat« fortzusetzen.

Washington habe für den Plan Vorschläge aus der Türkei eingeholt. Die mögliche Abzugsstrategie sei während eines Treffens am 18. Januar eingebracht worden, das der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus auf Antrag des Pentagon einberufen habe. An dem Treffen mit Vertretern des Außenministeriums, der CIA und anderer »relevanter Interessensgruppen« hätten Offiziere des Pentagon teilgenommen. Ziel der neuen Strategie sei es, die »SDF« im Kampf gegen den »IS« langfristig zu »schützen«.

Das Pentagon wies nach verschiedenen Medienveröffentlichungen die Informationen von »Al Monitor« zurück. Es sei in Wirklichkeit nicht über den Abzug der laut Pentagon-Angaben rund 900 »Sondereinsatzkräfte« der USA-Armee gesprochen worden, die illegal auf USA-Militärbasen im Norden, Osten und Süden Syriens stationiert sind. Offizielle Aufgabe der USA-Truppen in Syrien sei der »Schutz« der syrischen Ölressourcen und die Unterstützung der »SDF« im Kampf gegen den »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« (ISIS), heißt es. Das ist der offizielle Auftrag der von den USA geführten »Anti-IS-Allianz«. Rund 3.000 USA-Soldaten sind derzeit laut offiziellen Angaben im Irak stationiert, der ebenfalls den Abzug der USA-Truppen fordert.

Syrien und seine Verbündeten Rußland, Iran, China haben wiederholt den »Abzug der USA-Besatzungstruppen« gefordert. Auch der UNO-Sonderbeauftragte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte, die Truppen der Türkei und der USA, die sich ohne ein UNO-Mandat im Land aufhalten, müßten Syrien verlassen. Während USA-Präsident Donald Trump im Verlauf seiner Amtszeit erfolglos den Abzug der USA-Truppen aus Syrien angeordnet hatte, hat die Biden-Administration deren Anwesenheit in Syrien nie in Frage gestellt. Doch nach der Entwicklung in der Region nach dem 7. Oktober und mit dem Krieg gegen Gaza, der von den USA aktiv unterstützt wird, scheint man auch in Washington – vor allem im Pentagon – die Notwendigkeit einer Neuorientierung in der Region zu sehen. Mehr als 150 Mal wurden seit Mitte Oktober Militärbasen der USA im Irak und in Syrien angegriffen.

Der Oberkommandierende der »SDF«-Truppen, Mazlum Kobane, erklärte gegenüber »Al Monitor«, er habe von den Pentagon-Plänen nichts gewußt. Angesichts der »Beziehungen mit dem Assad Regime« sei solch ein Plan nicht machbar. »Das Regime« weigere sich, »irgendeinen sinnvollen Dialog mit uns zu führen«, wird Mazlum Kobane zitiert. Bei Gesprächen müsse es um »eine demokratische Zukunft für das ganze Land« gehen, einschließlich der Kurden. Auch eine Neuordnung der Syrischen Armee sei fällig, die nach seiner Ansicht »unfähig« sei, das Land gegen den »IS« zu verteidigen.

Charles Lister, Direktor der Programme für Syrien und die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus am Middle East Institut in Washington bezeichnete den Pentagon-Plan für einen Abzug der USA-Truppen aus Syrien als »Geschenk für den IS«. Er sei in der letzten Zeit von zahlreichen Offiziellen im Außenministerium, dem Kriegsministerium, von US-AID und der CIA angesprochen worden, was er über einen möglichen Truppenabzug aus Syrien halte »unter der Annahme, daß dieser unvermeidlich sei oder auch unmittelbar bevorsteht«, sagte Lister dem Internetportal »Al Monitor«. Der Truppenabzug stehe bevor und sei »nicht ordentlich durchdacht«, so Lister. Diejenigen, die sich mit der »Terrorabwehr« befaßten, seien sich »offenbar bewußt darüber, daß es für den Anti-IS-Kampf eine Katastrophe« sei.

Ob ein Truppenabzug der USA aus Syrien tatsächlich vor den Präsidentschaftswahlen im November 2024 stattfinden könnte, ist fraglich. Angesichts der Einbeziehung der Türkei in die Pläne ist es wahrscheinlicher, daß Washington eine neue Strategie ins Spiel bringen will, um die Türkei zu einem Strategiewechsel zu bewegen. Im Vordergrund steht für die USA die NATO-Erweiterung mit Schweden, die Ankara bis vor kurzem noch blockiert hatte. Für die Türkei ist neben der – seit Jahren hinausgezögerten – Lieferung von US-amerikanischen Kampfflugzeugen F-16 wichtig, daß die USA ihre schützende Hand über den Kurden in Syrien zurücknimmt. Ein Zusammenhang zwischen den Planspielen des Pentagon um die Zukunft der »SDF« in Syrien und der plötzlichen Zustimmung Ankaras zum NATO-Beitritt Schwedens ist nicht ausgeschlossen.