100 Jahre »Chambre des salariés«
Aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der »Chambre des salariés« fand am Donnerstag eine akademische Sitzung im EU-Kongresszentrum in Luxemburg-Kirchberg statt.
Die Berufskammern, darunter die Arbeiterkammer und die Privatbeamtenkammer, wurden durch Gesetz vom 4. April 1924 geschaffen. Absicht war es, die freien Gewerkschaften, die sich nicht nur für höhere Löhne und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen einsetzten, sondern auch die kapitalistische Ausbeuterordnung abschaffen wollten, im Kapitalismus zu integrieren, weshalb ihnen eine gewisse Mitbestimmung in Form der »Sozialpartnerschaft« angeboten wurde.
Der Zeitpunkt dazu war günstig, da der Märzstreik von 1921, bei dem die Staatsmacht, die auf der Seite der Kapitalisten stand, die Arbeiter massiv unterdrückt hatte, mit einer verheerenden Niederlage für die Arbeiterbewegung geendet hatte. In deren Folge ging der Einfluss der revolutionären Kräfte, die von den Kommunisten angeführt wurden, stark zurück, und die reformistischen Kräfte der sozialdemokratischen Arbeiterpartei setzten sich in der Gewerkschaft durch.
Diese Auseinandersetzung zwischen den revolutionären, klassenkämpferischen und den reformistischen Kräften, die auf die »Sozialpartnerschaft« schworen, zog sich während der nachfolgenden Jahrzehnte wie ein roter Faden durch die Geschichte der Arbeiterklasse und der Arbeiterkammer in Luxemburg.
Das aber war kein Thema bei der akademischen Sitzung und wird auch kaum in dem Buch thematisiert, das Eugénie Anselin und Denis Scuto zum 100-jährigen Bestehen der CSL verfassten.
Beitrag zur Emanzipation der Lohnabhängigen
Wenn man ausblendet, dass die größeren Teile der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung während der vergangenen Jahrzehnte keine grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen anstrebten, sondern »Sozialpartnerschaft« mit dem Kapital und der Regierung praktizierten, dann ist die »Chambre des salariés«, die 2009 durch die Zusammenlegung von Arbeiterkammer und Privatbeamtenkammer zustande kam, als das Einheitsstatut für eine Indexmanipulation eingetauscht wurde, dennoch eine Erfolgsgeschichte, da sie in vielfältiger Weise zur Emanzipation der Lohnabhängigen beigetragen hat und das auch noch heute tut.
Dazu zählt ihr Einsatz für die soziale Besserstellung der mehr als 600.000 Lohnabhängigen, Lehrlinge und Rentner, deren Interessen sie unter anderem auch in den Gremien der Krankenkasse und der Rentenkasse sowie vor den Arbeitsgerichten vertritt. Dazu zählt auch ihr Einsatz für die berufliche Weiterbildung, dazu zählen nicht zuletzt ihre zahlreichen Stellungnahmen, Untersuchungen und Gutachten zu Entwürfen von Gesetzestexten und großherzoglichen Verordnungen, und die Veröffentlichung von Sachbüchern über das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und die Arbeitswelt im Allgemeinen.
Besonders hervorzuheben ist schließlich ihre jährliche, unter dem Namen »Sozialpanorama« erscheinende Untersuchung der sozialen Entwicklung in Luxemburg und der, in Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg erstellte »Arbeitsqualitätsindex«.