Staatsbesuch bei Reaktionären
Großherzog, Außen- und Wirtschaftsminister werden am Montag in Riga erwartet
Kurz bevor Faschisten aus ganz Europa wieder durch die Straßen der lettischen Hauptstadt Riga zum »Freiheitsdenkmal« marschieren, um der Gefallenen der 15. und 19. Waffen-SS-Grenadierdivision zu gedenken, denen bei 1,9 Millionen Einwohnern zusammen weit über 100.000 lettische Nazikollaborateure angehört hatten, reist der Großherzog zu einem zweitägigen Staatsbesuch in das baltische NATO- und EU-Land. Die Regierenden verstehen sich dort als Vorposten der internationalen Reaktion, im Kampf gegen den Bolschewismus bewährte Faschisten gelten als »Freiheitskämpfer«. Auch der 1964 im USA-Staat Delaware geborene und 2019 ins Amt gekommene liberalkonservative Premier Krisjanis Karins hat sich längst einen Namen als Antikommunist gemacht.
Neben Außenminister Jean Asselborn und Wirtschaftsminister Franz Fayot gehört auch eine Wirtschaftsdelegation zum Gefolge des Staatschefs, die sich einer am Freitag verbreiteten Mitteilung des Informations- und Pressedienstes der Regierung zufolge »aus Vertretern der zukunftsträchtigen Sektoren der luxemburgischen Wirtschaft (digitale Wirtschaft, nachhaltige Entwicklung, Holzindustrie) zusammensetzt«. Anlaß des Staatsbesuchs sei der 100. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern, der allerdings schon im vergangenen Jahr begangen wurde.
Auf dem Programm stehen ein bilaterales Wirtschaftsforum, Arbeitstreffen mit Außenminister Edgars Rinkevics und Wirtschaftsministerin Ilze Indriksone, ein Empfang durch Parlamentspräsident Edvards Smiltens und ein Vieraugengespräch zwischen dem Großherzog und Staatspräsident Egils Levits. Der beteiligt sich eifrig daran, Russisch als »Überbleibsel der Okkupationszeit« aus dem öffentlichen Sprachgebrauch zu verdrängen. In Riga mußte sich der Stadtrat 2019 mit einer Beschwerde beschäftigen, auf Spielplätzen seien Durchsagen auf Russisch gemacht worden. Für solche Beschwerden hat das staatliche Institut für »Freunde des Lettischen« sogar eine eigene App entwickeln lassen, mit der man Verstöße gegen das Sprachgesetz über das Internet melden kann.
Nicht fehlen darf ein Besuch im Rigaer »Okkupationsmuseum«, in dem die Nazikollaborateure umstandslos als »Freiheitskämpfer« eingestuft werden. Dessen Ausstellungskatalog wird vom BRD-Botschafter eingeleitet und trägt den Titel: »Lettland unter der Herrschaft der Sowjetunion und des nationalsozialistischen Deutschland 1940-1991«. Deutsche Besatzer hat es danach kaum gegeben, nur sowjetische. Anlaß für den alljährlichen Gedenkmarsch für die lettische Waffen-SS ist eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg, in der es den Nazikollaborateuren am 16. März 1944 am Ladogasee gelang, die Rote Armee für kurze Zeit aufzuhalten. Auf den an diesem Tag stattfindenden antirussischen Märschen wird jedes Jahr die Hymne »SS marschiert im Feindesland« gesungen.
An der Ermordung der Juden Lettlands waren einheimische faschistische Mordbanden, die sich in den 30er Jahren gebildet hatten, ab Sommer 1941 unter Aufsicht der Nazis beteiligt. Von den 90.000 lettischen Juden konnten sich nur ungefähr 15.000 durch Flucht in die Sowjetunion retten. Immerhin: Mehrere Gedenkstätten, darunter eine im ehemaligen Rigaer Ghetto, erinnern an die Massaker. Doch ungeachtet dieser Vergangenheit mißachtet Lettland erneut Rechte von Minderheiten. Die EU schaut zu. Ungefähr 200.000 russischsprachige Einwohner, die zum größten Teil im Land geboren wurden, sind als »Nichtbürger« eingestuft, haben keinen Paß und kein Wahlrecht.