Ausland21. Oktober 2021

Das Südchinesische Meer wird internationaler Brennpunkt

Provokationen im Wasser

von Siegfried Alt

Der Imperialismus sucht im Südchinesischen Meer die Konfrontation mit China. Zum einen geht es um Taiwan. Für die Volksrepublik ist Taiwan Teil ihres Staatsgebiets, die Regierung in Peking die einzige legitime Regierung, die ganz China repräsentiert. Xi Jinping hat am 10. Oktober anläßlich des 110. Jahrestags der bürgerlich-demokratischen Xinhai-Revolution noch einmal unmißverständlich klargemacht: Der Separatismus in Taiwan wird nicht toleriert. Daher sind die Flüge der Volksbefreiungsarmee in die Luftverteidigungszone Taiwans als »eine ernsthafte Warnung für die separatistischen Kräfte einer ‚Unabhängigkeit Taiwans‘« zu verstehen.

Diese Ein-China-Politik wird seit 1971 von der UNO und in der Folge von der Mehrheit der Staaten anerkannt, auch von den USA und den EU-Staaten. Gleichwohl stärken die USA die separatistischen Kräfte in Taiwan zum Beispiel durch Lieferung von Hightech-Waffen, Entsendung militärischer Berater und durch die politische Aufwertung taiwanesischer Institutionen. Wenn die USA auf der einen Seite die Ein-China-Politik akzeptiert haben, auf der anderen Seite aber einen Teil dieses einen Chinas in seinem Abtrennungsbestreben unterstützen, dann mischen sie sich, auch nach eigenem Verständnis, in die inneren Angelegenheiten Chinas ein. Dann handeln sie gegen die Regeln des Völkerrechts und gegen die Bestimmungen der drei bilateralen Abkommen zwischen den USA und China.

Eine zweite territoriale Problematik dreht sich um die Riffe und Atolle im Südchinesischen Meer. Dieses Meer wird eingerahmt von China (mit seinen südlichen Provinzen Guangxi, Guangdong, Fujian und der Insel Hainan), von der »abtrünnigen Provinz« Taiwan, den Philippinen, Brunei, Indonesien, Malaysia und Vietnam, wobei hauptsächlich zwischen China, Vietnam und den Philippinen Besitzansprüche ausgefochten werden. Es geht dabei um die Xisha- oder Paracel-Inseln, die von China kontrolliert, aber auch von Vietnam beansprucht werden, und das riesige Gebiet der Nansha- oder Spratly-Inseln, welches China und Vietnam ganz, die Philippinen, Brunei und Malaysia teilweise beanspruchen, und von denen alle Beteiligten einige Inseln besetzt halten.

In der Vergangenheit führten die Anrainerstaaten die Auseinandersetzung untereinander und es zeichnete sich die Tendenz ab, die Klärung der Besitzansprüche auf unbestimmbare Zeit zu verschieben, aber die gemeinsame Ausbeutung von Bodenschätzen schon in Angriff zu nehmen.

Die Klärung dieser beiden regionalen Konflikte wird durch die Einmischung von außerhalb bedeutend komplizierter und liefert dadurch das Potential zu einer militärischen Eskalation. Dazu trägt die dauernde Präsenz der größten der im Ausland stationierten USA-Flotten, der 7., im Westpazifik, wozu auch das Südchinesische Meer gehört, bei. Sie besteht aus 30 Kriegsschiffen und Unterseebooten, bis zu 50 Versorgungsschiffen, bis zu 300 Flugzeugen sowie 40.000 Soldaten. Inzwischen haben sich ein japanisches Kriegsschiff, Schiffe Kanadas und Neuseelands und der britischen »Carrier Strike Group« (Flugzeugträgerkampfgruppe) auf ihrem Weg durch das Südchinesische Meer nach Japan der 7. USA-Flotte angeschlossen.

Legitimiert wird diese massive Militärpräsenz mal wieder mit dem Freiheitsbegriff – die »Freiheit der Seeschiffahrt« soll im Südchinesischen Meer verteidigt werden. Dabei stellt China die freie, zivile Nutzung dieser Schiffahrtswege nicht in Frage, die Voraussetzung der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung.

Während im Südchinesischen Meer weiter provoziert wird, trafen sich am 6. Oktober Yang Jiechi, Mitglied des Politbüros der KPCh und Direktor des Büros des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des ZK der KP Chinas, und Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater der USA, in Zürich. Es ist derselbe Yang, der bereits im März dieses Jahres in Alaska USA-Außenminister Blinken klarmachte, daß mit China nicht »in einer herablassenden Art und Weise« zu sprechen sei. Diesmal ging es sowohl um Handels- und Zollfragen als auch um internationale und regionale Fragen. »Während des Treffens legte Yang Chinas Position zu Fragen im Zusammenhang mit Taiwan, Hongkong, Xinjiang, Tibet und den Menschenrechten sowie zu maritimen Fragen dar und forderte die Vereinigten Staaten auf, Chinas Souveränitäts-, Sicherheits- und Entwicklungsinteressen wirklich zu respektieren und aufzuhören, die oben genannten Probleme zu nutzen, um sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen. Die US-Seite drückte ihr Festhalten an der Ein-China-Politik aus«, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.