Leitartikel24. März 2021

Krieg gegen afrikanische Unabhängigkeit

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Der Krieg, den Frankreich mit US-amerikanischer, britischer, italienischer sowie der militärischen Unterstützung zehn weiterer NATO-Staaten plus der Streitkräfte der reaktionären Golfdiktaturen Katar und VAE vor zehn Jahren gegen Libyen vom Zaun gebrochen hat, zielte nicht nur auf die Ermordung des libyschen Staatschefs Muammar Al-Ghaddafi ab, sondern richtete sich gegen die afrikanische Einheit und Unabhängigkeit, für die sich das Dank seines Ölreichtums finanzstarke Libyen Ghaddafis mit Nachdruck einsetzte.

Damit bedrohte Ghaddafi nicht nur die Interessen der ehemaligen Kolonialmächte, sondern auch der USA an der Zementierung der afrikanischen Unselbständigkeit und am Zugriff auf strategisch wichtige Ressourcen. Hinzu kam der Vormarsch Chinas auf Frankreichs De-facto-Kolonialreich im Westen und auf andere »strategisch wichtige« Gebiete in anderen Teilen des Kontinents.

Zwar hatten die Vertreter der Afrikanischen Union im März 2011 im UNO-Sicherheitsrat für die den Kriegstreibern als völkerrechtliches Mäntelchen dienende Resolution 1973 gestimmt, als aber Südafrika, das damals die AU-Präsidentschaft innehatte, ab April 2011 ein Ende der mittlerweile unter NATO-Regie erfolgenden Bombardierungen und einen Waffenstillstand forderte, wurde die AU von Paris und Washington kaltgestellt.

Fünf Jahre nach der viehischen Ermordung Ghaddafis, die die damalige USA-Außenministerin Clinton vor laufenden Fernsehkameras lachend mit »Wir kamen, wir sahen, er starb« kommentiert hatte, ließ sich ein britischer Parlamentsausschuß Frankreichs Kriegsgründe von französischen Geheimdienstoffizieren erläutern. Der Bericht ist im Internet frei zugänglich.

Demnach ging es vor allem darum, nach dem Sturz des dem Westen treuergebenen Diktators Ben Ali in Tunesien und von Mubarak in Ägypten »Frankreichs Einfluß in Nordafrika« wieder »zu vergrößern«, umfassenden Zugriff auf Libyens Erdöl zu erhalten, die Stärke der französischen Streitkräfte zu demonstrieren und Ghaddafis Pläne zu unterbinden, Paris als Vormacht im frankophonen Afrika abzulösen.

Weniger offen gehen die anderen Kriegsparteien mit ihren tatsächlichen Gründen für ihre Teilnahme um; es ist aber bemerkenswert, daß die Bombardierung Libyens mit mehr als 40.000 Marschflugkörpern und Bomben noch nicht einmal zwei Monate nach dem 16. Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union im äthiopischen Addis Abeba stattfand.

Auf diesem Gipfel vom 24. bis 31. Januar 2011 wurde nämlich beschlossen, bis zum Ende des Jahres einen Afrikanischen Währungsfonds (AMF) mit Sitz in Kameruns Hauptstadt Yaoundé ins Leben zu rufen. Zusammen mit zwei weiteren Finanzinstitutionen, der Afrikanischen Zentralbank (ACB) mit Sitz in Abuja, Nigeria und der Afrikanischen Investitionsbank (AIB) im libyschen Tripolis sollte ein gemeinsamer Markt und eine gemeinsame Währung für den ganzen Kontinent geschaffen werden.

Aus später von WikiLeaks veröffentlichten E-Mails von Frau Clinton geht hervor, daß die USA und Frankreich Ghaddafi beseitigen wollten, bevor er die umfangreichen Goldreserven seines Landes in die Schaffung einer panafrikanischen Währung stecken konnte, die dem US-Dollar und dem CFA-Franc Konkurrenz gemacht und Afrika endlich einen gangbaren Weg aus der monetären Abhängigkeit gewiesen hätte.