Ausland29. Januar 2009

Weltgericht mit Grenzen

Zu den ersten Amtshandlungen von Barack Obama gehörte die Entscheidung, das berüchtigte Gefangenenlager Guantánamo und alle CIA-Geheimgefängnisse schließen zu lassen. Zudem hat der neue USA-Präsident Folter strikt verboten. Bleibt die Frage, ob Verantwortliche aus der Bush-Regierung etwa für die massive Verletzung der Genfer Konventionen auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden.
Dafür wurde der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court – ICC) geschaffen, der seit 2002 seinen Sitz in Den Haag hat.
Grundlage für die Gründung ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In dem 1998 verabschiedeten »Statuten von Rom« wurden dann die Prinzipien und die Arbeitsweise des ersten ständigen Weltgerichts zur Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen fixiert. Doch darf das ICC nur Verbrechen verfolgen, die nach dem 1. Juli 2002 in einem Vertragsstaat oder durch einen seiner Staatsbürger begangen wurden, und das auch nur dann, wenn die Justiz des jeweiligen Landes einen Fall nicht verfolgen will oder kann. Es sei denn, der UNO-Sicherheitsrat beantragt Ermittlungen.

Der argentinische Jurist Luis Moreno-Ocampo hat seit seiner Vereidigung als Chefankläger 2003 bisher zwölf Haftbefehle erlassen und im Juli 2008 erstmals auch einen gegen einen amtierenden Staatschef, den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan Ahmad al-Baschir, beantragt. Vier Verdächtige sitzen bereits in einem Gefängnis von Scheveningen. Über einen großen Ermittlungsapparat, eine eigene Polizei oder gar Eingreiftruppe verfügt das Gericht mit seinen rund 740 Mitarbeitern jedoch nicht. Bei Fahndungen und Festnahmen ist es auf die Hilfe der jeweiligen Länder angewiesen. Die Vertragsstaaten, die auch die 18 Richter und den Chefankläger auswählen, finanzieren das ICC in diesem Jahr mit rund 100 Millionen Euro.

Inzwischen wurde das Gründungsdokument von 108 Staaten ratifiziert, darunter alle EU-Staaten und 30 afrikanische Länder – nicht aber Staaten wie die USA, Rußland, Indien, Pakistan, Iran, Israel oder China. Die Bush-Regierung hat mit allen Mitteln versucht, die Arbeit des Weltstrafgerichts zu behindern und zog die Signatur des Statuts unter Präsident Clinton zurück.

Noch vor dem Irak-Krieg hat der Kongreß in Washington im Jahr 2002 mit seiner republikanischen Mehrheit den »American Servicemembers’ Protection Act« verabschiedet. Nicht nur, daß er die Mitarbeit am ICC verbietet, er ermöglicht dem Präsidenten sogar, US-amerikanische Regierungsangehörige oder Alliierte im Fall der Fälle selbst mit Gewalt zu befreien, was dem Gesetz auch den Namen »The Hague Invasion Act« einbrachte. Zudem droht allen Signatarstaaten, die nicht NATO-Mitglied sind, die Streichung der USA-Militärhilfe. Afghanistan z.B. hat wie andere Länder zugesichert, USA-Bürger nicht an Den Haag auszuliefern.

Die freiwillige Vertragsverpflichtung schränkt also die Zuständigkeit des ICC erheblich ein. »Die Staaten müssen uns viel wirksamer durch konkrete Festnahmeaktionen unterstützen«, sagt etwa der deutsche ICC-Richter Hans-Peter Kaul. Sonst laufe der Gerichtshof Gefahr, zum »Papiertiger« zu werden.

Olaf Standke