Vom »Schutz der Privatsphäre« und anderem Betrug
Das Bankgeheimnis sei »ein wesentliches Element des Schutzes des Privatsphäre des Bürgers«, tönten die Finanzminister Luxemburgs, Österreichs und der Schweiz, als sie am vergangenen Wochenende in Luxemburg zu einem »Gipfeltreffen« zusammenkamen.
Was hier als »Schutz der Privatsphäre« umschrieben wird, heißt im Klartext Betrug. Und der Staat, der dabei hilft, Einkünfte mit Hilfe eines Bankgeheimnisses zu vertuschen und Steuerbetrug zu ermöglichen, ist als Hehler zu bezeichnen.
Dieser Makel haftet Luxemburg seit dem Entstehen des Bankplatzes an. In großem Stil wurden Kapitaleinkünfte aus den USA angelockt, nachdem die Luxemburger Regierung zuvor entschieden hatte, eine im Juli 1963 erlassene Steuerbestimmung der US-Regierung (die sogenannte »Interest equalization tax«) mithilfe des Bankgeheimnisses zu unterlaufen und sich auf Kosten des US-amerikanischen Fiskus Steuereinnahmen zu verschaffen.
Seit der Jahrhundertwende wurde das Bankgeheimnis infolge des massiven Drucks der USA allerdings schwer erschüttert, und die Luxemburger Banken mussten sich verpflichten, die US-Behörden über Kapitaleinkünfte US-amerikanischer Bürger zu informieren.
Doch was für die USA der Fall ist, gilt nicht für die restliche Welt, und den reichen Kontoinhabern und Steuerhinterziehern aus Belgien, Frankreich, Deutschland und anderswo gibt der Luxemburger Staat nach wie vor die Möglichkeit, ihre Einkünfte zu vertuschen. Sie bleiben anonym, wofür sie eine bescheidene Quellensteuer zahlen müssen, die zum Teil an das Land geht, in welchem sie ihren Wohnsitz haben.
Wie zu Beginn der 60er Jahre lebt der Luxemburger Finanzplatz auch heute noch davon, dass er fremdes Kapital, das vorwiegend aus der Ausbeutung der Arbeitskraft stammt, anzieht, weil aufgrund der politischen Entscheidungen der aufeinander folgenden Regierungen von CSV, LSAP und DP in Luxemburg weniger reglementiert, weniger kontrolliert und weniger besteuert wird als in anderen kapitalistischen Staaten.
Parallel dazu wurde die Bevölkerung ideologisch so verblendet, dass sie den Lügen, der Bankplatz habe sich dank der Weitsicht der Regierung und der Leistungsfähigkeit des Landes zu einer regelrechten Finanz»industrie« entwickelt und schaffe immer neue Finanz»produkte« mit hohem »Mehrwert« und niedrigen Risiken, glaubte. Wer wie die Kommunisten die Abschaffung des Bank- und des Steuergeheimnisses forderte, wurde praktisch als Verräter an den »nationalen Interessen« hingestellt.
Die kapitalistische Finanzkrise führte dazu, dass dieses Lügengebäude inzwischen teilweise einstürzte, und dass die Regierung, welche die reale Wirtschaft sträflich vernachlässigte, den früheren Luxemburger Banken, die »Global Player« spielen wollten, inzwischen Milliarden in den Rachen schmeißen musste, damit sie in Luxemburg in weitaus bescheidenerem Rahmen überleben können.
Doch das Risiko ist groß, dass unter den Trümmern der Finanzkrise und des Bankplatzes demnächst Tausende von Arbeitsplätzen und Existenzen begraben werden.
Dies verschweigt die Regierung dem Land und liefert stattdessen Rückzugsgefechte, um einen Teil des Bankgeheimnisses zu retten, in der Hoffnung, dass die parasitären Aktivitäten eines geschrumpften Finanzplatzes irgendwann nach dem Ende der kapitalistischen Finanzkrise weitergehen können.
Die Regierenden haben offensichtlich nichts aus der Finanzkrise gelernt.
Ali Ruckert