Leitartikel08. Juli 2022

Fata Morgana »Kreislaufwirtschaft«

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Glaubt man der zweiten Regierung mit grüner Beteiligung, dann befindet sich das Land »Um Wee zu enger Kreeslafwirtschaft«. So ist zumindest der Mitte Mai präsentierte aktuelle »Offall- a Ressourcëpak« überschrieben. Doch beim angeblichen Recycling von Plastikmüll haben wir es mit einer großen Illusion zu tun. In erschütternder Eindringlichkeit zeigt der investigative Dokumentarfilm »Die Recyclinglüge« von Tom Costello und Benedikt Wermter, daß die stoffliche Wiederverwertung von Plastik ein Großbetrug weltweiten Ausmaßes ist.

In der Dokumentation, die bereits im »Ersten« deutschen Fernsehprogramm, aber auch in Dänemark, Schweden, Norwegen, Kanada, Japan und bei BBC World gezeigt wurde, sieht man einen Mangrovenwald an einem potentiellen Traumstrand in Indonesien, der wegen der gewaltigen Plastikmassen, die sich in den Stelzwurzeln der Mangrovenbäume verhakt haben, nicht mehr atmen kann.

In einer anderen Szene sieht man auf dem Hof eines dubiosen Zwischenlagers im EU-Land Bulgarien große Ballen aus Plastikmüll, den Freiwillige in England in bester Absicht und in ihrer Freizeit unentgeltlich gesammelt haben, weil er von der US-amerikanischen »Müllmanagement«-Firma TerraCycle angeblich vollständig wiederverwertet wird – nun aber wohl nur verbrannt werden soll.

Um das zu zeigen, begab sich das Rechercheteam auf die Spuren von sogenannten Müllmaklern, einer weltweit agierenden Abfallmafia, und der weltweit größten Kunststoffmultis. Der Film beginnt im indonesischen Surabaya, wo Nina Arisandi in besagtem Mangrovenwald kniet. Die 15-jährige Umweltaktivistin ist umgeben von Plastikmüllbergen. Nach den Absendern des Mülls muß sie nicht suchen, die Namen der weltweit agierenden Großkonzerne Nestlé (Schweiz), Procter & Gamble (USA) und Unilever (Britannien) finden sich auf den bunten Verpackungen.

Vor allem über das Internet macht die unermüdliche Nina Arisandi auf den Betrug aufmerksam. Bei Fernsehauftritten wiederholt sie eine Botschaft: Die Konzerne müssen weniger Plastik produzieren und für die illegale Müllbeseitigung und Umweltverseuchung haftbar gemacht werden. Darauf antworten die Kunststoffmultis mit schicken Werbekampagnen und ihrem allseits beliebten Zauberwort: Kreislaufwirtschaft.

Die US-amerikanische Chemieingenieurin Jan Dell, die Multis wie den Sportartikelkonzern Nike, den Autokonzern Chevron und den Spielzeugkonzern Mattel in Sachen Nachhaltigkeit beraten hat, schüttelte den Kopf, als sie das erste Mal davon hörte. Sie sagt, bei der Kreislaufwirtschaft handelt es sich um eine große Farce, angetrieben von den Verpackungsmultis, um künftig noch mehr Plastik verkaufen zu können. Die Kosten seien »absolut astronomisch« und sie würden »niemals gering sein«.

Auch Helmut Maurer kommt in der Doku zu Wort. Der Umweltexperte der EU-Kommission sieht bei der angeblichen Wiederverwertung von Plastikmüll »keine entscheidenden Lösungsansätze«. Maurer sieht nur einen Weg: Abfallvermeidung. Dafür seien »politische Eingriffe« nötig, die »vielleicht einigen wehtun« würden. »Aber wir können nicht, um einigen nicht weh zu tun, die ganze Menschheit aufs Spiel setzen«, sagt er am Ende. Die Zeit läuft: Falls nichts dagegen getan wird, steigt die Plastikverschmutzung bis zum Jahr 2050 auf das Vierfache an.