Leitartikel

Unser Leitartikel : Export von »Demokratie«

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Es ist eigentlich erstaunlich, mit welcher Offenheit und Unverfrorenheit die bestimmenden Politiker des Westens an ihrem Plan arbeiten, die Regierung des souveränen Staates Syrien zu stürzen. Der Begriff »Regimewechsel« gehört bereits zum normalen Vokabular dieser Leute und ihrer willfährigen Helfer in den bürgerlichen Medien. Nachdem sie zunächst noch lauthals die Forderung nach einer »Demokratisierung« erhoben hatten – was auch immer sie damit gemeint haben – verhandeln sie nun bereits über ihre Pläne für Syrien nach Präsident Assad.

Daß die syrische Führung in den letzten anderthalb Jahren mehrere ernsthafte Bemühungen für eine Annäherung des Staatswesens an westliche bürgerliche Demokratievorstellungen unternommen hat, ficht die Assad-Hasser nicht an. Innerhalb einer relativ kurzen Zeit wurden Verfassungsänderungen vorgenommen, ein Gesetz über die Zulassung von Parteien beschlossen, ein Referendum durchgeführt und ein neues Parlament gewählt. Alle diese Veränderungen bewegen sich nicht auf dem Niveau, das sich zum Beispiel in Westeuropa im Laufe von zwei Jahrhunderten herausgebildet hat. Wobei jeder weiß, daß auch die bürgerlich-demokratischen Systeme in Westeuropa nicht perfekt sind und jede Menge Tücken haben, was nicht zuletzt durch die aktuellen Diskussionen über die Entwicklung der Krise, über die Entscheidungsfindung in den EU-Staaten und über die Übergabe von Souveränitätsrechten an EU-Gremien belegt wird.

Wenn zum Beispiel Griechenland von nicht demokratisch gewählten Gremien – EU-Kommission, EZB und IWF – ein Kürzungspaket für öffentliche Ausgaben auferlegt wird, ohne daß das Volk mitreden darf, ist das schon ziemlich bedenklich. Wenn dann aber auch noch die amtierenden Regierungsparteien genötigt werden, sich per Unterschrift zu verpflichten, auch nach einer Parlamentswahl genau diese Politik fortzusetzen, dann spottet das jeder Beschreibung. Und wenn hochrangige EU-Funktionäre von einer »Entscheidung des irischen Volkes« reden, nachdem rund 30 Prozent der Wahlberechtigten für den EU-Fiskalpakt gestimmt hatten, dann wirft das ein bezeichnendes Licht auf den Zustand dieser EU. Das gleiche gilt für die USA, den selbsternannten Hort von Demokratie und Menschenrechten, wo es völlig »normal« ist, daß nur etwa die Hälfte der Bürger an Wahlen teilnehmen, so daß der Präsident der USA, der größten Militär- und Atommacht der Welt, gerade mal von einem Viertel der Bürger gewählt wurde und wird.

Die Vertreter dieser westlichen »Demokratien« haben in den letzten Jahren hinlänglich bewiesen, daß ihre Art von Export der Demokratie völlig nach hinten losgeht. Ihre staatlichen Kreaturen wie Afghanistan, der Irak oder das Kosovo sind wohl für keinen Menschen auf der Welt ein erstrebenswertes Vorbild – und erst recht keine Leuchttürme der Demokratie.

Dennoch saßen die selbsternannten »Freunde Syriens« in der Nacht zum Donnerstag in Istanbul hinter verschlossenen Türen zusammen und dachten darüber nach, wie sie mit der Hilfe von bezahlten Söldnern den Präsidenten Syriens aus dem Weg räumen und eine laizistisch geprägte Gesellschaft durch religiöse Stimmungsmache entzweien können.
Da kam die Meldung über ein neues Massaker in Syrien gerade recht, um dem bösen Assad und seinen Truppen ein neues Blutbad vorzuwerfen. Wie bestellt, gewissermaßen…

Uli Brockmeyer