Das Ende eines Hoffnungsträgers
Wir wissen nicht, ob es der Besuch der deutschen Kanzlerin war, der das absehbare Ende der Regierungskoalition in Griechenland eingeläutet hat. Es dürfte jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß es da mehr als einen Zusammenhang gibt.
Am Mittwochabend wird sich entscheiden, ob Alexis Tsipras noch bis zu den nächsten regulären Parlamentswahlen Regierungschef bleiben kann, oder ob in den nächsten Tagen vorgezogene Neuwahlen ausgerufen werden müssen. Fest steht bisher, daß diese höchst eigenartige Regierungskoalition ein unrühmliches Ende gefunden hat. Der Koalitionspartner der »Linkspartei« SYRIZA, die rechtslastige und nationalistische Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL) verläßt die gemeinsame Regierung, und niemand in Griechenland würde darauf wetten, daß die Truppe um Herrn Kammenos nach den Wahlen wieder ins Parlament einziehen wird.
Es ist nicht auszuschließen, daß einige der ANEL-Abgeordneten bei der Vertrauensfrage am Mittwoch sich auf die Seite von Tsipras schlagen, vielleicht werden auch Vertreter anderer Parteien für ihn stimmen, weil sie ohnehin keine Chance haben, noch einmal gewählt zu werden und deshalb ihre Abgeordnetengehälter und sonstigen Privilegien noch ein halbes Jahr länger behalten wollen. Aber auch das ändert nichts daran, daß die Zeit von Tsipras und SYRIZA abgelaufen ist. Die nächste Nagelprobe wird dann die Parlamentsabstimmung über die Mazedonien-Frage werden…
Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die politischen Verhältnisse in Griechenland, daß ausgerechnet der Streit um den Namen der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) dieser Regierung den Todesstoß versetzen wird. Eigentlich gab es wesentlich wichtigere Themen, bei denen Tsipras und seine Leute den Abgang ins Geschichtsbuch verdient gehabt hätten. Allein die unerfüllten – weil unerfüllbaren – Wahlversprechen, das Palaver über die EU und den Euro, die Umkehrung des »NEIN« in ein »JA« beim Referendum über die Kürzungs- und Privatisierungsdiktate der ausländischen Gläubiger, der Dauer-Kotau vor der EU-Kommission und der deutschen EU-Führungsmacht wären genügend Gründe gewesen, diese Regierung zum Teufel zu jagen. Ganz zu schweigen von der tatsächlichen Kürzungspolitik, die ausschließlich auf den Schultern der arbeitenden Menschen, der Rentner, der Jugend, der Arbeitslosen, der Alleinerzieher, der kleinen Geschäftsleute und der Bauern durchgezogen wurde – rabiater als es möglicherweise eine andere bürgerliche Regierung getan hätte.
Der Streit um den Namen des Nachbarlandes FYROM zeigt eine unerhörte Einmischung der Führungsmächte der NATO und der EU in die inneren Angelegenheiten Griechenlands. Seit der vom Westen beförderten Auflösung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien konnte dafür keine Lösung gefunden werden. Das aber war ein ernstes Hindernis für die Aufnahme Mazedoniens in die NATO und die EU. Weder mit einer konservativen noch mit einer sozialdemokratischen Regierung in Athen wäre ein derartig einfacher – und zugleich einfältiger – Ausweg denkbar gewesen. Damit hat sich Herr Tsipras bei der NATO und der EU bleibende Verdienste erworben – und vielleicht sogar die Anwartschaft auf ein gut bezahltes Pöstchen. Nun hat er seine Schuldigkeit getan und kann gehen. Die deutsche Kanzlerin hat in der vergangenen Woche in Athen schon beim künftigen Premier Mitsotakis ihre Aufwartung gemacht.
Uli Brockmeyer