Ausland27. September 2023

Der Totengräber des PCI und »Lieblingskommunist« von Henry Kissinger

Italiens Ex-Präsident Giorgio Napolitano verstorben

von Gerhard Feldbauer

Italiens Ex-Staatspräsident Giorgio Napolitano ist am Freitag im Alter von 98 Jahren verstorben. Die faschistische Regierung von Georgia Meloni hatte für Dienstag ein Staatsbegräbnis angekündigt. Im Palazzo Madama, dem Sitz des Senats, wurden die Flaggen auf Halbmast gesetzt und eine Trauerkapelle errichtet. In der Abgeordnetenkammer, die ebenfalls halbmast flaggt, gab es dagegen eine weltliche Zeremonie statt, berichtet die Nachrichtenagentur ANSA.

Diese Ehrung soll einem früheren Kommunisten gelten, der als erster Präsident der Republik das Amt zweimal innehatte und die »politische Geschichte der Republik prägte«, wie es in italienischen Medien heißt.

Sein Nachfolger Sergio Mattarella sagte, Napolitano habe »die Rolle des Garanten der Werte mit Treue zur Verfassung und scharfer Intelligenz interpretiert und große Aufmerksamkeit für die Erneuerungswünsche der Gesellschaft« gehabt. Der frühere Premierminister Mario Draghi würdigte ihn als »absoluter Protagonist der italienischen und europäischen Gesellschaft«.

Unter den Kondolenzschreiben aus aller Welt ist auch eines von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Napolitano als »beeindruckenden Staatsmann« bezeichnet, der »in schwierigen Zeiten ein Stabilitätsanker für sein Land und zutiefst davon überzeugt war, daß ein geeintes Europa im Interesse seiner Bürger ist«.

Die bürgerliche Presse feiert Napolitano, weil er, wie das kommunistische Magazin »Contropiano« schreibt, »die Rolle des Führers der Rechten in der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) übernahm, die auf die Sozialdemokratisierung der Partei, den Beitritt zur Sozialistischen Internationale, auf gute Beziehungen zu Craxis Sozialistischer Partei (PSI) abzielte, was unter seinem maßgeblichen Einfluß 1989/90 zur Umwandlung des PCI in eine sozialdemokratische »Linkspartei« mit dem Namen PDS führte«.

Später wurde klar, daß nicht einmal der »demokratische Sozialismus« die revisionistischen Ängste Napolitanos befriedigte, und er schnell »zu einem angelsächsischen Liberalismus gelangte, der für Koalitionen mit Gemäßigten und Konservativen zugänglich war«, kommentiert »Contropiano«.

Nach seinem Bekenntnis zur NATO, die er nicht mehr als »ein gefährlich-aggressives Instrument« sah und sich unter ihr »sicherer« vor einer Einmischung des Warschauer Paktes fühlte, bezeichnete ihn der damalige USA-Außenminister Henry Kissinger als seinen »favourite Communist«. So protegiert erhielt Napolitano eine Einladung in die USA, wo er u.a. auf Veranstaltungen des »Center for Strategic and International Studies« (CSIS), einer schlecht getarnten Einrichtung des Auslandsgeheimdienstes CIA, ein gern gesehener Gast war.

Seit 2006 Staatspräsident, verhinderte er nach dem Fall der faschistischen Regierung Berlusconis im November 2011 aus Angst vor einem Wahlsieg des 2007 aus der »Linkspartei« hervorgegangenen sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Neuwahlen und bildete statt dessen unter dem früheren EU-Kommissar Mario Monti eine Übergangsregierung, in die Berlusconis Forza Italia (FI) aufgenommen und so deren Fortexistenz abgesichert wurde. Zum Dank dafür stimmte Berlusconis FI im Jahr 2013 für seine Wiederwahl, womit Napolitano die erforderliche Mehrheit erreichte. Kissinger teilte danach seinem »lieben Giorgio« mit, daß ihm der nach ihm benannte »Premio Kissinger« verliehen werde.

Das linke »Il Manifesto« schreibt. sie nannten ihn »König Giorgio« und er war »tatsächlich eher ein Monarch als ein Präsident«. Er war der erste Führer einer kommunistischen Partei, der im Namen des »allgemeinen Interesses« vorschlug, die Löhne der Arbeiter zu senken, »um die Krise zu bewältigen«.

Damit war er »der Wirtschaftsmanager des PCI und in dieser Funktion vertrat er Allianzerfahrungen mit der Democrazia Cristiana (DC), und das war »der erste Schritt in Richtung des ‚historischen Kompromisses‘, den PCI-Sekretär Enrico Berlinguer vertrat«.