Kaleidoskop19. Oktober 2024

Franzosen kämpfen gegen Wassermassen: »Schlimmste Katastrophe seit 40 Jahren«

von dpa/ZLV

Ganze Orte im Wasser, geschlossene Kindergärten, überschwemmte Bahngleise: In Frankreich haben Starkregenfälle enorme Sachschäden verursacht. Ganz ausgestanden ist »die schlimmste Katastrophe seit 40 Jahren«, wie Premier Michel Barnier sagte, wohl noch nicht. Es drohen weitere Unwetter.

Für zehn Départements im Süden ist wegen Überschwemmungs- und Hochwassergefahr die zweithöchste Alarmstufe Orange ausgerufen worden. Die höchste Warnstufe Rot gilt mittlerweile jedoch nirgendwo mehr. »Das ist eine gute Sache», sagte die Ministerin für einen ökologischen Wandel, Agnès Pannier-Runacher, am Freitag dem Fernsehsender BFMTV. »Die vergangene Nacht war weniger schlimm, als wir erwartet hatten.«

Teile Frankreichs waren am Donnerstag und Freitag von heftigen Regenfällen betroffen. Ganze Ortschaften waren komplett überflutet, Autos wurden weggeschwemmt, Menschen mußten evakuiert werden. In der kleinen Gemeinde Limony an der Rhône rettete sich Anwohner Gilles beim Anblick des steigenden Wassers ins Obergeschoß seines Hauses, schilderte er BFMTV. Einsatzkräfte brachten ihn von dort in Sicherheit. Noch immer stehe das Wasser viel zu hoch, um zurück zu seinem Haus zu kommen, berichtete Gilles, der am Morgen danach die Schäden inspizieren wollte. Er werde nun mit der Versicherung sprechen. Aber: »Ich weiß nicht so recht, was ich tun soll.«

Besonders schwer getroffen wurde auch die Gemeinde Givors, die rund 35 Kilometer flußaufwärts liegt. 47 Menschen waren hier vorübergehend in einem überschwemmten Supermarkt eingeschlossen, bevor sie von der Feuerwehr gerettet werden konnten. Mehr als 400 Menschen evakuierten die Einsatzkräfte in dem Ort, Notunterkünfte wurden eingerichtet. Bürgermeister Mohamed Boudjellaba sprach noch am Abend auf BFMTV von einem körperlich und psychisch schweren Tag. »Meine Sorge ist, daß es Tote geben könnte.«

Dieses Schreckszenario konnte in der Gemeinde aber wohl verhindert werden. Bisher gibt es nur Berichte über einen Toten in Paris während des schweren Unwetters. Im Norden der Hauptstadt wurde der Mann von einem Baum erschlagen. Seine drei und fünf Jahre alten Kinder wurden verletzt. Nachbarn zerrten sie aber unter dem Baum hervor, schilderten sie gegenüber der Zeitung »Le Parisien«. Landesweit rückten die Rettungskräfte 2.300-mal aus. »Wir können sagen, daß diese Einsätze gestern, teils mit dem Helikopter, Leben gerettet haben«, resümierte Premier Barnier. Die Sachschäden seien jedoch beachtlich.

Das zwischen Lyon und Avignon liegende Département Ardèche, in dem auch Limony liegt, gilt als eine der Gegenden, die am meisten mit dem Starkregen zu kämpfen hatten. Météo France sprach vom heftigsten zweitägigen Starkregenereignis im Gebiet der Cevennen seit Anfang des 20. Jahrhunderts. »An einigen Orten in der Ardèche sind bis zu 700 Millimeter Wasser in 48 Stunden gefallen«, sagte Ministerin Pannier-Runacher. »Das ist mehr als der jährliche Niederschlag in Paris.« Die Ministerin warnte: »Wir sind mit Perioden konfrontiert, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Wir müssen uns daran gewöhnen und uns wappnen, um ihnen Stand zu halten.«

Starkregen ist wegen des Klimawandels an vielen Orten der Welt häufiger und intensiver geworden. Der Grund: Je wärmer es wird, desto mehr Feuchtigkeit kann die Atmosphäre aufnehmen – das führt zu höheren Niederschlagsmengen. Bei Überschwemmungen spielen aber auch andere menschliche Faktoren eine Rolle.

Auch Premier Barnier sagte, angesichts des Klimawandels müsse man sich auf in immer kürzeren Abständen auftretende Naturkatastrophen einstellen. Den Betroffenen drückte er sein Mitgefühl und seine Unterstützung aus. »Es ist ein Trauma, von Überschwemmungen betroffen zu sein.«