Ausland08. August 2009

Fatah in der Verlängerung

Streit auf dem Parteitag um Personen und Inhalte geht weiter. Ende offen

Das Ende des sechsten Fatah-Kongresses war für Donnerstag vorgesehen. Doch hielt der Streit in Bethlehem um die anstehenden Wahlen zum Zentralkomitee (21 Sitze) und dem Revolutionsrat (120 Sitze) am Abend an. Eine Verlängerung des ursprünglich auf drei Tage Dauer ausgelegten Parteitages bis zum Wochenende wurde notwendig. Ob damit die innerparteilichen Turbulenzen, die den bisherigen Verlauf geprägt hatten, beigelegt werden können, bleibt zweifelhaft.

Am Donnerstag ging es erneut handfest zur Sache: »Reformanhänger« warfen dem Vorsitzenden Mahmud Abbas vor, die Stimmabgabe zu den Führungsgremien manipulieren zu wollen. 400 Delegierte, die per Fernschaltung aus dem Gazastreifen wählen sollten, forderten zudem eine Quote in den zu wählenden Gremien. Weiterhin wurde kritisiert, daß die Parteiführung bisher keinen Finanzbericht vorgelegt hat.

Dabei hatte sich Abbas zunächst selbstkritisch geäußert. »Stillstand im Friedensprozeß, Verhaltensweisen, die in der Öffentlichkeit nicht akzeptiert werden, politische Schwäche, schlechte Disziplin und mangelhafte Verbindung zum Puls der Straße« hatte Abbas vor 1900 Delegierten eingeräumt. Die Fehler seien bei den Wahlen 2006 abgestraft worden und hätten die zweite Palästinenserorganisation, die islamische Hamas, gestärkt. Abbas, der auch Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) ist, führt die Fatah (Sieg, Befreiung) seit dem Tod von Jassir Arafat 2004. Der letzte Parteitag, der in Tunis stattfand, liegt zwanzig Jahre zurück.

Der Veranstaltungsort war umstritten, weil Delegierte aus dem Exil die israelischen Grenzkontrollen passieren mußten. Dem militärischen Fatah-Führer im Libanon, Munir Maqdah, wurde die Einreise von Israel verweigert. Delegierte aus dem Gazastreifen ließ die Hamas nicht ausreisen, weil Fatah inhaftierte Mitglieder der Organisation nicht freiließ. Parteigründer Faruk Khaddoum, der in Tunesien im Exil lebt, warf der Führung Vetternwirtschaft und Korruption vor. Khaddoum hatte auf einem Veranstaltungsort außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete beharrt und war nicht nach Bethlehem gekommen.

Die enge personelle Verknüpfung von Parteifunktionen mit PA-Regierungsämtern sehen viele Palästinenser als Ursache der Vetternwirtschaft. Der Politikprofessor Abdul-Sattar Qassem von der Nationalen An-Najah-Universität in Nablus macht zudem die ausländische Unterstützung von Fatah und PA für Fehler und Unglaubwürdigkeit verantwortlich. Beide Organisationen könnten ohne die Gelder aus den USA und Europa gar nicht bestehen, sagte Qassem in einer Sondersendung zum Parteikongreß im Nachrichtensender Al Dschasira. Die mit diesem Geld ausgebildete palästinensische Polizei kooperiere mit der Besatzungsmacht und werde als deren Hilfspolizei wahrgenommen.

Eine Bedingung für den Geldfluß der westlichen Bündnispartner Israels sei zudem, nicht mit der Hamas zu kooperieren. Dadurch werde jede Ankündigung, sich für die palästinensische Einheit einzutreten, wertlos.

Verbal machte sich der 74jährige Abbas für einen »Neuanfang« stark, um »Befreiung und Unabhängigkeit zu erreichen«. Die Palästinenser sollten in Zukunft weniger die Waffen als vielmehr »andere Formen des Widerstands« einsetzen. Gleichwohl bleibe der bewaffnete Kampf gegen die Besatzung legitim. Doch der anhaltende Siedlungsausbau in der Westbank und Ostjerusalem, der Ausbau der Mauer und die israelischen Sperranlagen haben die politische Glaubwürdigkeit von Mahmud Abbas und der Fatah-Führung geschwächt.

Markige Worte im vorgelegten Programmentwurf, wonach die Fatah »entschlossen die Initiative in den Friedensgesprächen zurückerobern« will und ohne Siedlungsstopp keine Gespräche mit Israel führen und es als »jüdischen Staat« nicht anerkennen werde, hörten viele Delegierten zwar gern, meinten aber, daß nur eine radikale Verjüngung der Parteiführung solche Positionen befördert. Ihr Wunschkandidat für den Vorsitz wäre Marwan Barghouti. Doch der frühere Leiter der Fatah-Jugendorganisation und Hauptorganisator der Intifada sitzt in israelischer Haft.

Karin Leukefeld