Luxemburg08. Juni 2023

Ein falscher Knopfdruck würde genügen

Vor 40 Jahren führte das NATO-Manöver »Able Archer« fast zu einem Atomkrieg. Auch mit der am Montag beginnenden Luftkriegsübung »Air Defender 2023« erhöht das westliche Militärbündnis die Kriegsgefahr

von

Mit »Air Defender 2023« beginnt am Montag in Deutschland und »in angrenzenden Lufträumen« die laut Bundeswehr-Website »größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der NATO«. Bis zum luxemburgischen Nationalfeiertag sollen demnach 10.000 Soldaten aus 24 NATO-Staaten – darunter Neumitglied Finnland – sowie aus dem ebenfalls beitrittswilligen Schweden ein Szenario durchspielen, das einem »Beistandsszenario nach Artikel 5« des NATO-Vertrags nachempfunden sei. »Unter deutscher Führung«, so die Bundeswehr weiter, würden rund 250 Luftfahrzeuge »aller Art« von unterschiedlichen Flugplätzen in Deutschland und Europa starten, um dann abwechselnd in drei deutschen Lufträumen mehrere Stunden pro Tag zu üben.

Für zivile Nutzer ist dann da kein Platz. Mit der deutschen Luftsicherung und Eurocontrol sowie mit den Aero-Clubs sei alles besprochen. Man hofft auf das Verständnis vor allem der Passagiere ziviler Airlines. Obwohl sich Luxemburg nur indirekt – über seine finanzielle Beteiligung an den Tankflugzeugen des im Aufbau befindlichen Multinationalen Lufttransportverbunds der NATO im niederländischen Eindhoven – an dem Großmanöver beteiligt, dürfte der Düsenlärm ab Montag auch hier zu hören sein. Luxemburg grenzt nämlich an den »Luftübungsraum Süd«, der sich vom Bundeswehr-Fliegerhorst Lechfeld in der Nähe von Augsburg in Bayern bis zum wenige Kilometer von der luxemburgischen Grenze entfernten Truppenübungsplatz Baumholder bei Idar-Oberstein erstreckt.

Allein aus den USA wurden in den vergangenen Wochen über 100 Kampfflugzeuge für »Air Defender 2023« herangeschafft, darunter auch atomwaffenfähige Kampfjets vom Typ F-35A – die für die neuen, 70 Kilometer hinter unserer Grenze in Büchel stationierten US-amerikanischen B61-12-Atombomben zertifiziert sind – und Maschinen vom Typ A-10 Thunderbolt II. Die sogenannten Warzenschweine sind speziell für den Erdkampf gegen Panzer, Truppenkonzentrationen und Stellungen konstruiert. Neben Maverick-Raketen und konventionellen Bomben feuern die zweistrahligen Flugzeuge auch bis zu 4.000 schwach strahlende und hochtoxische Urangeschosse pro Minute aus der GAU-8A-Kanone mit acht 30-Millimeter-Läufen.

Die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK hatte die NATO zur Absage ihrer »Megakriegsübung« aufgefordert und unter anderem darauf verwiesen, daß das NATO-Manöver »Able Archer« 1983 »fast zu einem Atomkrieg« führte. Auch derzeit, so die DFG-VK weiter, sei »die Gefahr eines direkten Krieges zwischen Rußland und der NATO wieder enorm groß: Ein Mißverständnis oder ein falscher Knopfdruck kann zur totalen Eskalation führen«.

Zusammen mit Friedensgruppen aus der Großregion ruft die DFG-VK am Samstag, dem 10. Juni ab 11 Uhr zu einer Mahnwache am in das Großmanöver einbezogenen Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem in der deutschen Eifel. »In einer Welt voller Kriege und Spannungen«, heißt es im Aufruf, seien Militärmanöver »gefährliche Provokationen«. »Manöver dienen zu Kriegsvorbereitungen. Manöver können schnell eine Eskalationsstufe erreichen, welche unkontrollierbar wird.«