Ausland25. Juni 2010

Widerstand gegen Rentenreform

Aktions- und Streiktag in Frankreich soll Kampfbereitschaft beweisen

Gestern protestierten in Frankreich Gewerkschaften, Opposition, Arbeiter und Angestellte gemeinsam gegen den von Präsident Nicolas Sarkozy vorgestellten Rentenreformentwurf. Größter Streitpunkt ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters.

An zahlreichen Schulen kam es zu Unterrichtsausfällen, auch Bahn- und Flugverkehr waren betroffen. Bei der Eisenbahngesellschaft SNCF mußte jede zweite Fernverbindung gestrichen werden, betroffen war auch der ICE von Frankfurt nach Paris.

Wegen eines Fluglotsenstreiks an den Pariser Flughäfen Orly und Charles de Gaulle ordnete die französische Luftverkehrsbehörde die Streichung von 15 Prozent aller Verbindungen zwischen 07.00 und 14.00 Uhr an. Auch sechs der 14 Metro-Linien in Paris wurden bestreikt.

Der Nationale Streik- und Aktionstag sollte die Entschlossenheit zur Abwehr der Rentenreformpläne unter Beweis stellen. Es wurde damit gerechnet, daß landesweit über eine Million Menschen an den Demonstrationen in Paris und Dutzenden weiteren Städten teilnehmen und damit weit mehr als bei den bisher drei derartigen Aktionstagen seit Beginn des Jahres.

Die Eckpunkte der Rentenreformpläne hat Arbeitsminister Eric Woerth vor einer Woche bekanntgegeben. Vor allem geht es um die Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre, die von den linken Oppositionsparteien und fast allen Gewerkschaften strikt abgelehnt wird und gegen die sich bei Umfragen zwei Drittel der Franzosen ausgesprochen haben.

Sie alle sind davon überzeugt, daß es andere Möglichkeiten gibt, das Defizit der Rentenkassen aufzufüllen. Vor allem gelte es, endlich entschlossen Spitzeneinkommen, Kapital und Spekulationsgewinne zu besteuern sowie Steuernischen und Schlupflöcher zu stopfen, durch die viele Unternehmen und Konzerne ihre im Land angehäuften Profite vor dem Fiskus in Sicherheit bringen.

Wohl um die Kampfbereitschaft der Gewerkschaften zu unterminieren, haben der sozialpolitische Präsidentenberater im Elysée-Palast und die mit der Rentenreform befaßten Minister in den vergangenen Tagen den Medien gegenüber durchblicken lassen, noch seien die Würfel nicht gefallen und es könnte noch »nachgebessert« werden. Zwar sei das Rentenalter von 62 Jahren nicht verhandelbar. Denkbar wären aber wohl Ausnahmereglungen für Schaffende, die schon sehr früh zu arbeiten begonnen und für solche, die körperlich sehr schwere und gesundheitsschädliche Berufe ausgeübt haben. Darüber könnte man weiter verhandeln.

Ralf Klingsieck, Paris