Leitartikel12. Mai 2022

EU-Skepsis am »Europatag«

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Als die Regierung aus DP, LSAP und Grünen den »Europatag« am 9. Mai zum gesetzlichen Feiertag in Luxemburg erklärte, war das ein Affront gegenüber allen, die schon länger fordern, daß der 8. Mai zum Feiertag gemacht wird, um dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung des Kontinents vom Faschismus zu gedenken.

Doch wichtiger als der Sieg über die Faschisten war der Regierung vor drei Jahren erklärtermaßen die alljährliche Erinnerung an die Schuman-Deklaration von 1950, die über die sogenannte Montanunion, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und – nicht zu vergessen! – die Europäische Atomgemeinschaft zur Europäischen Gemeinschaft und schließlich zum heutigen neoliberalen Staatenbündnis Europäische Union führte.

Dem Beispiel der luxemburgischen ist bis heute keine einzige weitere Regierung eines EU-Staates gefolgt. Lediglich auf dem 1999 von der NATO gewaltsam aus Jugoslawien herausgebrochenen und infolgedessen zum EU-Protektorat degradierten Amselfeld ist der »Europatag« am 9. Mai ebenfalls gesetzlicher Feiertag.

Auch konnte die Feiertagsausrufung offenbar nicht verhindern, daß die EU-Skepsis auch hierzulande wächst. Laut dem letzten im Auftrag der Brüsseler Kommission erstellten »Eurobarometer« haben nur noch 43 Prozent der Einwohner »Vertrauen in die Europäische Union«. Das entspricht einem Verlust von fünf Prozentpunkten im zweiten Semester 2021.

Damit kommt Luxemburg in Sachen »Vertrauen« in die EU zum ersten Mal auf einen Wert unterhalb der zur selben Zeit in den Nachbarländern Belgien und Deutschland gemessenen Werte, lediglich die Bewohner Frankreichs stehen dem Staatenbündnis mit zuletzt nur noch 32 Prozent EU-Vertrauen noch deutlich skeptischer gegenüber.

Blaupause für die westeuropäischen Gemeinschaften, die sich von Anfang an falsch »europäisch« nannten, war der 1947 von den USA verkündete Marshallplan. Der war zwar mit einer großzügigen Anschubfinanzierung in US-Dollars verbunden, wurde aber von Maurice Thorez, dem damaligen Generalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei, völlig zu Recht eine »amerikanische Falle« genannt.

Im Windschatten der durch den Zweiten Weltkrieg enorm gestärkten USA, aber auch mit Hilfe von Teilen der herrschenden Klassen westeuropäischer Länder, konnte sich der deutsche Imperialismus in historisch kurzer Zeit von seiner bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 wieder erholen – zunächst nur auf dem Gebiet der BRD, seit der Annexion der DDR 1990 wieder in ganz Deutschland.

Gelohnt hat sich die sogenannte »europäische Integration« vor allem für die deutschen Monopole, die durch den EU-Binnenmarkt zu Weltkonzernen aufstiegen. Nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise, die 2007 begann, vergrößerte sich der Abstand Deutschlands zu den bis zum Brexit nächstgrößten Volkswirtschaften des Staatenbündnisses – Britannien und Frankreich – dann beachtlich. Laut IWF betrug die Jahreswirtschaftsleistung (BIP) Deutschlands im Jahr 2000 ungefähr 1,9 Billionen US-Dollar, die britische fast 1,5 Billionen und die französische 1,3 Billionen. Für das Jahr 2010, das erste Wachstumsjahr nach dem weltweiten Wirtschaftseinbruch, lauten die Ziffern: Deutschland 3,4 Billionen, Frankreich 2,7 Billionen und Britannien 2,4 Billionen US-Dollar.

Damit hat Deutschland den Abstand zu beiden Ländern von etwa 400 Milliarden US-Dollar bzw. 600 Milliarden auf fast 1,3 Milliarden vergrößert. Das ist eine neue Größenordnung. Vor allem, wenn man bedenkt, daß die mittels EU-Binnenmarkt in die Höhe getriebenen deutschen Exportüberschüsse die Schulden der anderen EU-Staaten sind.