Ausland19. Februar 2021

Zum Hintergrund der Kämpfe um Myanmar:

Öl, Gas, Pipelines und Infrastruktur

von Klaus Wagener

Die Proteste in Myanmar gegen die Machtübernahme durch das Militär halten an. Während die chinesische Seite die Verantwortung der Bevölkerung von Myanmar für die Lösung der Krise betont und sich gegen ausländische Einmischung wendet, reagiert Washington in gewohnt repressiver Weise: Mit Sanktionen und dem Einfrieren von USA-Hilfs- und myanmarischen Finanzmitteln. Das Militär hatte Wahlbetrug bei den Wahlen im vergangenen Jahr reklamiert.

Mit 54 Millionen Einwohnern und einer nominalen Jahreswirtschaftsleistung BIP von 76 Milliarden US-Dollar ist Myanmar kein ökonomischer Riese. Das 676.000 Quadratkilometer große Land verfügt aber über Erdgasreserven von 715 Milliarden Kubikmeter und Ölreserven von 2,1 Milliarden Barrel. Fossilenergie macht den dominierenden Teil der Exporte des in den letzten Jahren rasch prosperierenden Landes aus. Die Fossilenergiereserven sind außerdem das Motiv für erhebliche ausländische Direktinvestitionen in das Land.

Wie andere sozialistische oder »junge Nationalstaaten« hatte sich Myanmar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausländischem Kapital geöffnet, um seine Wirtschaft voranzubringen. Die Öl- und Gasindustrie ist dafür ein »klassisches« Beispiel. Neben chinesischen und russischen Öl- und Gasgiganten sind auch französische, brasilianische, vietnamesische, südkoreanische und zahlreiche andere Firmen an der Förderung beteiligt. 2013 und 2014 wurden die noch unter der Militärregierung begonnenen 2,5 Milliarden US-Dollar teuren Gas- und Ölpipelines fertiggestellt, die Kyaukphyu an der Westküste Myanmars mit Kunming (Gas) beziehungsweise mit Guizhou und Guangxi (Öl) im Süden Chinas verbinden.

Die Ölpipeline hat eine Kapazität von zwölf Millionen Tonnen pro Jahr und eröffnet China eine weitere strategische Umgehungsmöglichkeit der gefährdeten Hauptroute durch die Straße von Malakka und das Südchinesische Meer. Die Gaspipeline mit einer Kapazität von zwölf Milliarden Kubikmeter pro Jahr trägt ebenfalls zur Befriedigung des Energiebedarfs Südchinas bei.

Die Pipelines sind Teil des »China-Myanmar Economic Corridors« (CMEC) und damit Teil der Neuen Seidenstraße. Sie umfaßt zahlreiche Infrastrukturprojekte wie Straßen, Brücken, Tunnel, Eisenbahnlinien, Dämme und Hafenanlagen. Chinas Präsident Xi Jinping hat im Januar 2020 bei seinem Besuch in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw mit der Unterzeichnung von zahlreichen Verträgen Chinas Engagement für das Multimilliardenprojekt CMEC noch einmal bekräftigt. Die chinesischen Auslandsdirektinvestitionen in Myanmar werden für 2020 auf über 20 Milliarden US-Dollar beziffert. Mit den CMEC-Projekten versucht die Volksrepublik, zum Nutzen beider Seiten eine langfristige Verbindung zu diesem strategisch bedeutenden Staat im Westen Indochinas und einen Zugang zum Golf von Bengalen beziehungsweise zum Indischen Ozean aufzubauen. Dabei hat das südostasiatische Land die Chance, seine Wirtschaft und Infrastruktur erheblich zu modernisieren, neue Märkte für seine Produkte zu finden und neue Liefer- und Versorgungsketten zu etablieren.

Als großen Erfolg Chinas und schwere Niederlage des USA-Imperiums bei seinen Bemühungen, die Volksrepublik strategisch einzudämmen und an seiner Entwicklung zu hindern, kann zudem der Abschluß des RCEP-Abkommens (Regional Comprehensive Economic Partnership) gelten. China war es gelungen, nicht nur mit den aufstrebenden Staaten Südostasiens, sondern auch mit den Staaten des Malaiischen Archipels plus Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland ein weitreichendes Wirtschafts- und Kooperationsabkommen zu schließen.

Mit dem »Pivot to Asia«, der Hinwendung der Obama-Regierung zum asiatisch-pazifischen Raum, war klar, daß Washington versuchen würde und weiterhin wird, die Bemühungen Pekings zu durchkreuzen. Das galt für die Trump-Regierung, das gilt mindestens ebenso für Joe Bidens bislang vorgestellte Mannschaft. Washington hatte schon lange das volle Equipment seiner Einflußagenturen in Myanmar installiert. Nicht ohne Erfolg. Naypyidaw hatte im Jahr 2011 das 3,6 Milliarden US-Dollar schwere Projekt des Myitsone-Staudammes gecancelt. Aung San Suu Kyis National League for Democracy (NLD) hatte zudem verschiedene milliardenschwere CMEC-Projekte wie zum Beispiel die Tiefwasserhafenanlagen in Kyaukphyu in Frage gestellt oder/und in ihrem Umfang erheblich reduziert. Dem vorausgegangen waren Proteste der von Washington beeinflußten Organisationen der »Zivilgesellschaft«.

China hat an die Verantwortung der an den Auseinandersetzungen in Myanmar beteiligten Organisationen gegenüber dem eigenen Land und seiner ökonomisch-gesellschaftlichen Entwicklung appelliert und eine Lösung der Probleme durch gesellschaftlichen Dialog gefordert. Angesichts der Lage eine sinnvolle Strategie.