Leitartikel09. September 2023

Ein »regelbasierter« Putsch



Am Montag jährt sich zum 50. Mal der Tag, an dem im fernen Chile der Versuch, eine neue Gesellschaft zu errichten, mit Bomben zerstört und mit Panzern niedergewalzt wurde. Die Erinnerungen an jenen Putsch, der eindeutig einen faschistischen Charakter hatte, wird in diesen Tagen in den alles beherrschenden Medien im »regelbasierten« Westen durchaus unterschiedlich behandelt.

Noch immer – oder immer wieder? – wird die Ablehnung jenes politischen Experiments deutlich, nicht zuletzt, weil sich die damalige, sehr stark links orientierte Sozialistische Partei mit der Kommunistischen Partei Chiles und weiteren Parteien zu einer Volksfront zusammengeschlossen hatte, unter der von allen respektierten Führung des Sozialisten Doktor Salvador Allende. Der Wahlsieg der Unidad Popular vor 53 Jahren ließ die Welt aufhorchen, gab vielen Menschen in den kapitalistischen Ländern auf allen Kontinenten neue Kraft und Ansporn, sich nicht länger mit den bestehenden Verhältnissen abzufinden, sie nicht länger als »gottgegeben« hinzunehmen.

Im selben Moment schellten aber auch die Alarmglocken in Washington, London, der damaligen westdeutschen Bundeshauptstadt Bonn und bei vielen weiteren westlichen Regierungen, die ihre Diplomaten und vor allem ihre Geheimdienste in Marsch setzten, um die unliebsame Störung ihrer Ordnung möglichst bald zu beenden.

Die Regierung der Unidad Popular machte unter der Leitung des in breiten Kreisen des Volkes ebenso liebevoll wie respektvoll »Compañero Predidente« genannten Salvador Allende erste Fortschritte bei der deutlichen Verbesserung des Lebens der bisher sozial Unterdrückten, begann bessere Arbeitsbedingungen und Löhne durchzusetzen, durchbrach das Bildungsprivileg der Besserverdienenden, spendierte jedem Kind in der Schule täglich kostenlos einen halben Liter Milch – und das nicht aus PR-Gründen, sondern um schrittweise den Hunger aus dem Leben der Chilenen zu verbannen. Privilegien der Kapitalbesitzer, vor allem der ausländischen Konzerne und Banken, wurden deutlich beschnitten, Chile begann, den Reichtum seiner Bodenschätze für das Wohl der eigenen Bevölkerung zu nutzen.

Allerdings konnte das den Herren des Kapitals nicht gefallen, weder in Chile, noch in den USA und den anderen Gottes eigenen Ländern, denn hier wurden ihre »Werte« angetastet, ihre »Regeln« verletzt. Provokationen, Streiks von Kleinunternehmern, Mordanschläge sollten das Volk unzufrieden machen, die Unidad Popular zu Fall bringen. Als das nicht gelang, wurde mit tatkräftiger Hilfe aus dem State Department und dem Pentagon, mit vielen Dollars, Pfund Sterling und D-Mark die Führung des Militärs zum Putsch vorbereitet. Das Ergebnis ist bekannt, und dessen Folgen wirken bis heute.

Interessant sind vielleicht einige historische Parallelen. Nicht derartig blutig wurden in den letzten Jahren etliche Regierungen gestürzt, die dem »Westen« nicht genehm waren, und es wurden – koste es was es wolle – Putschisten an die politische Macht gehievt, die dafür sorgten, daß die »Werte« des Westens nicht verletzt, seine »Regeln« nicht gebrochen wurden.

Aber wehe, wenn ein Umsturz nicht gelingt, wie zum Beispiel in Syrien, oder wenn die Umstürzler nicht nach der Pfeife des Westens zu tanzen bereit sind. Dann greifen wieder die »Regeln«, und die bedeuten zunächst Sanktionen, und wenn das nicht ausreicht, auch Krieg.

Der 11. September 1973 sollte uns lehren, daß gewisse »Regeln« und »Werte« nicht die unseren sind.